KI in der Hochschule: Ein Thema für alle
16.12.2025Der universitätsweite Tag der Lehre steht für Wertschätzung und Sichtbarkeit der Lehre. 2025 stand das Thema „Künstliche Intelligenz“ im Mittelpunkt.
Wie passt generative künstliche Intelligenz mit Literatur, Kunst und Kreativität zusammen? Das ist ein aktueller Forschungsschwerpunkt von Professorin Stephanie Catani. Sie hielt die erste der beiden Keynotes. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Neuere Deutsche Literaturgeschichte I befasste sich bereits in zahlreichen Publikationen mit der KI-gestützten künstlerisch-literarischen Produktion und damit, welche Rolle KI aktuell und künftig im literaturwissenschaftlichen Studium einnehmen könnte.
In ihrer Keynote „KI trifft Literatur(wissenschaft). Schreiben, Forschung und Studium im Wandel“ eröffnete Catani eine geistes- und sozialwissenschaftliche Perspektive mit Bezug auf die sich ändernden Kulturtechniken des Schreibens, Lesens und Interpretierens und die daraus resultierenden Konsequenzen für das eigene und weitere Fächer.
Eine aktuelle Herausforderung in Bezug auf die produktive Arbeit mit KI ist aus ihrer Sicht, dass OPEN ACCESS-Publikationen in der Germanistik bisher eine Ausnahme darstellen und die frei verfügbare Primärliteratur in der Regel nur in nicht zitierfähigen Ausgaben zugänglich ist. Dieser Mangel an Daten zeigt sich nicht zuletzt qualitativ bei der Nutzung von KI für das wissenschaftliche Arbeiten. Dabei gäbe es bereits interessante Einsatzbereiche. So kann KI beispielsweise als Sparringspartner bei der Analyse von Erzählstrukturen oder Figurenkonstellationen eingesetzt werden.
Die Keynote schloss mit einem Ausblick auf die geplante Veröffentlichung dynamischer und asynchron nutzbarer Lernmaterialien. Diese sollen Studierende bei der Entwicklung grundlegender Kompetenzen in der kritischen Mediennutzung sowie im KI-gestützten wissenschaftlichen Arbeiten unterstützen.
KI nie ohne medienkritische Reflexion
In der zweiten Keynote „Forschendes Lernen, Peer-Feedback, Storytelling – wie wir unsere KI-Kompetenzen gemeinsam schulen können“ gab Dr. Klaus Wannemacher vom HIS-Institut für Hochschulentwicklung e.V. einen Überblick zu didaktischen Konzepten bei der KI-Nutzung in der deutschen Hochschullandschaft.
Im Mittelpunkt stand dabei eine aktuelle explorative Studie des HIS-HE für das Hochschulforum Digitalisierung (HFD) im Auftrag des CHE Centrum für Hochschulentwicklung, die insgesamt 77 Use-Cases zur Anwendung von KI-Tools in Studium und Lehre untersuchte.
„Die Entwicklung von KI-Kompetenz sollte stets von einem integrierten Ansatz ausgehen, bei dem der Wissenserwerb über Funktions- und Nutzungsweisen von KI nie isoliert von der medienkritischen Reflexion erfolgt“, so ein Fazit Wannemachers. Die Studie zeigt, dass besonders Methoden der aktivierenden Lehre, also problem- oder projektbasiertes bzw. szenariobasiertes Lernen, das reflexive und kreative Arbeiten mit KI und den gemeinsamen Erwerb von KI-Kompetenzen fördern. Nicht zu vernachlässigen seien auch Reflexionsräume, etwa in Form von Austauschformaten und Beratungsangeboten, mit denen auch kollegial der Umgang mit KI in der Lehre besprochen und weiterentwickelt werden kann.
Die gesamte Studie kann auf der Website des Hochschulforums Digitalisierung abgerufen werden.
Preisverleihung und Austausch
Wie jedes Jahr verlieh Vizepräsident Professor Andreas Dörpinghaus zusammen mit den Vorsitzenden des Fachschaftenrats im Rahmen der Eröffnung den studentischen Preis für herausragende Lehre. Zum ersten Mal gab es zwei Preise, einer in den Natur- und einer in den Geisteswissenschaften. Die Preisträger in der Kategorie „Zukunftsorientierte Lehre mit Künstlicher Intelligenz“ sind der Psychologe Professor Armin Stock und als Team die Physikdidaktiker Jens Damköhler und Wolfgang Lutz.
Nach der Auftaktveranstaltung im Hörsaal gab es für die knapp 200 Teilnehmenden verschiedene Möglichkeiten zum Austausch und zur Vertiefung. So war Christian Burdack, Referatsleiter des Prüfungsamts, als Ansprechpartner für die in Entstehung begriffene KI-Leitlinie unserer Universität vor Ort. Schreibtutorinnen und -tutoren des Schreibzentrum | Writing Centers sorgten für Austauschmöglichkeiten zu KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben. Interaktiv ging es in der Abschlussausstellung des Projekts WueDive zu. An mehreren Mitmachstationen zeigte das Team, was in den gut vier Jahren Projektlaufzeit entstanden ist und der Universität Würzburg auch zukünftig am ZBL erhalten bleibt und zugutekommt.
Von konkreten Recherchetipps zu philosophischen Überlegungen
Am Nachmittag ging es in Workshops und Fachvorträgen um individuelle Vertiefung.
Im interdisziplinären Austausch mit Lehrenden und Studierenden identifizierten Dr. Thorsten Aichele und Tobias Haase die Voraussetzungen und Einsatzszenarien für KI als Lernunterstützung beim selbstregulierten Lernen. Als konkrete Lernunterstützung wurde die KI-Anwendung SRL-GPT vorgestellt, die auf Ergebnissen empirischer Meta-Studien zum lernförderlichen Einsatz von KI basiert und sowohl Studierende als auch Lehrende bei der Anbahnung von selbstreguliertem Lernen unterstützen soll. Die Präsentation wurde über den WueCampus-Kursraum „Text- und mediengenerierende KI in der Lehre“ verfügbar gemacht und kann zudem per Mail angefordert werden.
Im Workshop von Dr. Gabriele Blümig aus der Universitätsbibliothek ging es zunächst um die Frage, wie KI den Alltag der Teilnehmenden aktuell prägt. Blümig stellte Tools wie Semantic Scholar, Research Rabbit und Elicit für das wissenschaftliche Arbeiten und die Literaturrecherche vor und gab Nutzungsmöglichkeiten und wertvolle Erfahrungen weiter.
Bei Dr. Thomas Schröter entwickelten die Teilnehmenden in einem Design-Thinking-Prozess Lehr-Lern-Szenarien, in denen Lernende zu einer vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung mit KI-generiertem Output angeregt werden, anstatt diesen unkritisch zu rezipieren. Hierfür wählten die Teilnehmenden eine der Rollen aus, welche die KI in einer Mensch-KI-Kollaboration einnehmen kann – die der Expertin, der Moderatorin oder des Peers – und eruierten, wie KI sinnvoll in Lernaktivitäten der Konstruktion, Rekonstruktion bzw. Dekonstruktion von Wissen zu integrieren ist.
Im Fachvortrag von Professor Wolfgang M. Schröder standen ethische Perspektiven auf den Einsatz von KI in der Hochschullehre im Mittelpunkt. Besonders prägend war die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Rolle Lehrende in Zeiten von KI einnehmen sollten. Statt die eigene Wissensautorität in den Vordergrund zu stellen, betonte Schröder die Bedeutung einer Lernkultur, in der das Lernen-Lassen zentral ist. Darüber hinaus stellte er verschiedene ethische Ansätze vor, die dabei unterstützen, den Einsatz von KI in der Lehre kritisch zu reflektieren.
Dr. David Obremski gab in seinem Fachvortrag zunächst einen Überblick über aktuelle Werkzeuge und Möglichkeiten generativer KI - auch im Hinblick auf die Potenziale virtueller Realität für psychotherapeutische Anwendungen. Eine nutzerorientierte Kombination verschiedenster KI-Tools aus den Bereichen der Bild-/Ton- und Textverarbeitung demonstrierte er schließlich eindrucksvoll anhand eines authentischen Praxisbeispiels aus seiner Forschung.
Der Tag der Lehre 2025
Der „Tag der Lehre“ am 19. November 2025 stand unter dem Motto „Hey ChatGPT, wie geht eigentlich gute Hochschullehre?“. Veranstaltet wurde er vom Zentrum für wissenschaftliche Bildung und Lehre (ZBL). Zum Videoeinblick.
Noch ein Veranstaltungstipp
Am 21. Januar 2026 findet am ZBL ein weiterer [denk]anstoß zu Künstlicher Intelligenz in der Lehre statt. Bildungswissenschaftlerin und Gründerin des eBildungslabors Nele Hirsch spricht in ihrem Online-Vortrag darüber, warum KI-Sprachmodelle als Antwortmaschinen nicht funktionieren, wie sie aber zum Lernen als Resonanzmaschinen gute Dienste leisten können.
