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Medizinische Fakultät

Kryptischen Peptiden auf der Spur

23.06.2020

Mit einer neu entwickelten Methode haben Würzburger Forscher erstmals tausende kryptische Peptide auf der Oberfläche von Zellen identifiziert. Hier könnte ein neuer Ansatzpunkt für Krebs-Immuntherapien liegen.

Schematische Darstellung der Entstehung und Präsentation von kryptischen Peptiden.
Schematische Darstellung der Entstehung und Präsentation von kryptischen Peptiden. (Bild: Rudolf-Virchow-Zentrum / Universität Würzburg)

Fast alle Zellen des menschlichen Körpers präsentieren auf ihrer Oberfläche Bruchstücke zellulärer Proteine. Diese sogenannten humanen Leukozyten-Antigene oder HLA-Peptide spielen bei der Immunantwort eine wichtige Rolle. Entdeckt das Immunsystem ihm fremde HLA-Peptide, etwa virale Peptide auf einer virusinfizierten Zelle oder mutierte Peptide auf einer Tumorzelle, eliminieren T-Zellen die entsprechende Zelle. Die Gesamtheit der auf einer Zelle präsentierten HLA-Peptide bezeichnet man als das Immunpeptidom der Zelle.

Neuer Ansatz ermöglicht erstmals umfassende Analyse

Neben den gewöhnlichen HLA-Peptiden gibt es auch kryptische HLA-Peptide. Diese stammen von bestimmten RNA-Sequenzen ab, die nicht wie sonst üblich Informationen für ein bestimmtes Protein enthalten. In den vergangenen Jahrzehnten wurden lediglich vereinzelt kryptische HLA-Peptide ermittelt, da diese sehr klein sind und in den Zellen schnell abgebaut werden. Außerdem fehlten effiziente Computerprogramme für die Analyse.

In einem völlig neuen Ansatz haben Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität (JMU) und des Universitätsklinikums Würzburg nun mehrere Analysemethoden kombiniert, die speziell für kleine Peptide gut geeignet sind. Ihre Ergebnisse stellen sie in der Fachzeitschrift Cancer Immunology Research vor.

„Mit Hilfe einer von uns entwickelten, neuartigen bioinformatischen Methode konnten wir erstmalig tausende kryptische HLA-Peptide in den Immunpeptidomen unterschiedlichster Tumore wie Melanom und Brustkrebs identifizieren“, erklärt Dr. Andreas Schlosser, Forschungsgruppenleiter am Rudolf-Virchow-Zentrum der JMU.

Der neue Ansatz basiert ausschließlich auf Daten der Massenspektrometrie, einer Methode zur Massebestimmung von Peptiden und anderen Molekülen. Dadurch ist es jetzt möglich, die kryptischen HLA-Peptide systematisch und umfassend zu ermitteln.

Es ließ sich auch klären, auf welchen Zellen und in welchem Ausmaß kryptische Peptide vorkommen: „Wir konnten zeigen, dass kryptische HLA-Peptide einen signifikanten Teil der Immunpeptidome von Tumoren ausmachen“, erläutert Professor Florian Erhard, Arbeitsgruppenleiter am JMU-Institut für Virologie und Immunbiologie.

Mögliche Zielstrukturen für Immuntherapien

Aus einzelnen Studien war bereits bekannt, dass kryptische Peptide sowohl Autoimmunreaktionen wie Diabetes vom Typ-1 als auch Immunantworten gegen Tumorzellen auslösen können.

Die neuen Analysen liefern nun Hinweise darauf, dass bestimmte kryptische HLA-Peptide ausschließlich auf Tumorzellen zu finden sind. Solche tumorspezifischen kryptischen HLA-Peptide könnten sich als lohnende Zielstrukturen für Krebs-Immuntherapien erweisen.

Die Wissenschaftler der JMU und des Universitätsklinikums Würzburg untersuchen bereits eine Auswahl der identifizierten Peptide daraufhin, ob sie sich als Angriffspunkte für die Krebs-Immuntherapie eignen. Auch virusinfizierte Zellen präsentieren kryptische HLA-Peptide, die als Zielstruktur bei Impfungen eingesetzt werden könnten.

Mit ihrer neuen Methode halten die Forscher somit ein wirkungsvolles Werkzeug in der Hand, um mehr über die generelle Funktion und die Entstehung kryptischer Peptide zu erfahren. „Wir hoffen, mit unserem bioinformatischen Ansatz ein besseres Verständnis von Autoimmunreaktionen sowie Immunreaktionen gegen Tumorzellen und virusinfizierte Zellen zu erhalten“, sagt Schlosser.

Publikation

Florian Erhard, Lars Dölken, Bastian Schilling, Andreas Schlosser: Identification of the cryptic HLA-I immunopeptidome, Cancer Immunology Research (Juni 2020), DOI: 10.1158/2326-6066.CIR-19-0886

Kontakt

Dr. Andreas Schlosser, Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging der Universität Würzburg, T +49 931 31-86888, andreas.schlosser@virchow.uni-wuerzburg.de

Von Judith Flurer

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