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Medizinische Fakultät

Ein Schrittmacher für die Zunge

08.01.2019

An der HNO-Klinik des Würzburger Uniklinikums wurde erstmals einem Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe ein Zungenschrittmacher implantiert. Das System sorgt dafür, dass beim Schlafen die Atemwege offen bleiben.

Ein Zungenschrittmacher hält im Schlaf die Atemwege offen.
Ein Zungenschrittmacher hält im Schlaf die Atemwege offen. (Bild: Inspire Medical Systems, Inc.)

Rund 3,7 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter obstruktiver Schlafapnoe. „Bei diesem Syndrom erschlaffen die Zungenmuskulatur und das umliegende Gewebe während des Schlafes“, erläutert Professor Rudolf Hagen, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen am Uniklinikum Würzburg (UKW). „Dabei werden die oberen Atemwege verschlossen und die Atmung setzt aus. Der daraus folgende Sauerstoffmangel führt unter anderem zu häufigen Aufwachreaktionen in der Nacht.“

Als Standardtherapie können die Betroffenen eine spezielle Maske tragen, die ihnen während des Schlafens kontinuierlich Umgebungsluft mit leichtem Überdruck zuführt. Bei diesem als CPAP (vom englischen „Continuous Positive Airway Pressure“) bekannten Verfahren stabilisiert der Überdruck das im Schlaf entspannte Gewebe im Nasen- und Rachenraum und hält diesen offen.

Eine Alternative zur Therapie mit Maske

„Obwohl die CPAP-Masken in diversen Varianten zur Verfügung stehen, gibt es eine beträchtliche Anzahl von Patienten, die diese Therapie aus unterschiedlichen Gründen nicht tolerieren können oder wollen“, sagt Dr. Philipp Schendzielorz, der Leiter des Schlaflabors am UKW.

Für diese Zielgruppe gibt es am UKW mit dem Zungenschrittmacher seit kurzem eine weitere Behandlungsoption: Am 14. Dezember 2018 implantierten Professor Hagen und Dr. Schendzielorz dem ersten Patienten der HNO-Klinik erfolgreich das innovative Gerätesystem. Der eineinhalbstündige mikrochirurgische Eingriff bei dem 62-jährigen Mann verlief laut Mitteilung des Klinikums ohne Komplikationen.

Elektrische Impulse im Atemrhythmus

Der Zungenschrittmacher besteht aus drei funktionalen, miteinander durch Leitungen verbundenen Elementen, die alle nach der Implantation unter der Haut getragen werden. Ein Sensor am Brustkorb erkennt den Atemrhythmus des Patienten und gibt ihn an einen Neurostimulator mit integriertem Generator weiter. Dieses Modul verarbeitet die Atemsignale und sendet im passenden Takt elektrische Impulse an eine Stimulationselektrode, die auf dem Unterzungen-Nerv (Hypoglossus-Nerv) platziert wurde. Die leichte elektrische Anregung des Nervs aktiviert die Zungenmuskulatur, so dass die Zunge nicht mehr zurückfallen kann.

Der Patient schaltet das System mit einer Fernbedienung per Knopfdruck vor dem Zubettgehen ein und am Morgen nach dem Erwachen wieder aus. Über die Fernbedienung lässt sich außerdem die Stärke der Stimulation regulieren.

„Bei unserem Pilotpatienten konnten wir bei einer intraoperativen Stimulation sehr gut dokumentieren, dass der Atemweg durch die Zungenbewegung nach vorne schön erweitert wird“, berichtet Hagen. Nach einer Einheilungs- und Eingewöhnungsphase sei eine Feineinstellung des Systems durch den Arzt erforderlich. Beim ersten Zungenschrittmacher-Patienten des UKW findet diese im Januar 2019 im Schlaflabor statt.

Nach Herstellerangaben nehmen die Patienten die Stimulation in der Regel nur gering oder gar nicht wahr. Für gewöhnlich werde ein leichtes Kribbeln oder eine leichte Kontraktion der Zungenmuskulatur gefühlt. Die Batterie des Generators hält normalerweise acht bis elf Jahre und muss dann bei einer kurzen Operation ausgetauscht werden.

Bessere Lebensqualität, weniger Gesundheitsgefahren

„Der Zungenschrittmacher ist eine geprüfte und sichere Behandlungsoption“, sagt Schendzielorz. Nach seinen Worten profitieren die Implantatträger nicht nur von einer nachhaltigen Reduktion der nächtlichen Atemaussetzer, sondern auch von einer dauerhaft verbesserten Lebensqualität sowie letztlich auch von einer höheren Lebenserwartung. „Bei unbehandelter Schlafapnoe besteht ein stark erhöhtes Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko. Außerdem wächst bei einer verstärkten Tagesmüdigkeit die Gefahr eines Sekundenschlafs am Steuer“, so Schendzielorz.

Einziger Anbieter in Unterfranken

Die HNO-Klinik des UKW ist die einzige Einrichtung in Unterfranken, die diese Zungenschrittmacher-Therapie anbietet. Dass das Interesse an dieser Lösung hoch ist, kann man unter anderem daran ablesen, dass noch im Dezember 2018 ein weiterer Patient am UKW damit versorgt wurde.

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Von Pressestelle Universitätsklinikum Würzburg

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