Rückenwind für die KI-Entwicklung in Deutschland und Europa
25.11.2025Europa ist bei künstlicher Intelligenz technologisch von den USA und China abhängig. Ein neues Projekt mit Beteiligung der Uni Würzburg soll das ändern. Ziel ist, eine souveräne europäische KI zu entwickeln.
Ein wichtiger Schritt für die europäische Souveränität in der künstlichen Intelligenz (KI): Im neuen Projekt SOOFI (Sovereign Open Source Foundation Models) arbeiten zukünftig Forschende aus sechs führenden deutschen Forschungseinrichtungen und zwei Startups zusammen, darunter die Uni Würzburg. Ihr Ziel ist, souveräne europäische Alternativen zu KI-Technologien aus den USA und China bereitzustellen.
Der Fokus liegt darauf, mit den Modellen einen Beitrag zur industriellen Nutzung von KI zu leisten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Vorhaben bis Ende Juli 2026 mit 20 Millionen Euro. Den Würzburger Forschenden stehen davon über 770.000 Euro zur Verfügung.
Die Gefahr einer völligen KI-Abhängigkeit
Aktuell fehlt ein europäisches Large Language Model (LLM) wie ChatGPT von ausreichender Größe, das als Ausgangspunkt für branchenspezifische Spezialisierungen und effiziente Ressourcennutzung dienen kann. Auch sogenannte Reasoning-Modelle (LRMs), die durch strukturiertes Denken komplexe Aufgaben lösen können, sind bisher kaum aus europäischer Hand verfügbar.
Zugleich setzen deutsche Unternehmen Anwendungen auf Basis von KI bereits vielfältig ein, allerdings meist auf Basis-Modellen, die nicht aus Europa stammen. Es besteht die Gefahr einer ähnlichen Entwicklung wie bei den Cloud Services: Teile der Wertschöpfung werden ins Ausland abgegeben, deutsche Unternehmen werden zu reinen Anwendern von Kern-Technologien und es entsteht eine gefährliche Abhängigkeit von nicht-europäischen Diensten.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sechs Forschungseinrichtungen und zwei Startups wollen das ändern. Hierzu gehören:
- Jörg Bienert, KI-Bundesverband als Konsortialführer
- Professor Andreas Hotho, Professor Fortis Jannidis, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
- Professor Kristian Kersting, Technische Universität Darmstadt
- Joachim Köhler, Fraunhofer -Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS)
- Antonio Krüger, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)
- Professor Alexander Löser, Beuth-Hochschule Berlin
- Professor Wolfgang Nejdl, Universität Hannover
- Jan Plogsties, Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS)
- Björn Plüster, ellamind GmbH
- Thomas Wollmann Merantix Momentum
Ein KI-Modell für Europa
Ziel ist die Entwicklung eines 100 Milliarden Parameter großen offenen KI-Sprachmodells, das der Gesellschaft und Wirtschaft frei zur Verfügung steht und den Anforderungen des AI Act der Europäischen Union und den europäischen Wertevorstellungen entspricht. Auf Basis dieses LLM wird über spezielle Verfahren auch ein sogenanntes Reasoning-Modell erstellt, um die Qualität des Gesamtsystems zu erhöhen und den Ressourcenverbrauch zu optimieren. Daneben sollen über KI-Agententechnologien erste Anwendungsfälle umgesetzt werden.
Reasoning-Modelle sind für die deutsche Industrie von großer Bedeutung, weil sie komplexe technische, regulatorische und organisatorische Zusammenhänge analysieren, logisch miteinander verknüpfen und auf dieser Grundlage fundierte Entscheidungen treffen können. Sie erweitern klassische LLMs um die Fähigkeit, Schlussfolgerungen zu ziehen und mehrstufige Probleme zu lösen. So entsteht ein neuer Grad an Automatisierung und Qualität in Entwicklung, Produktion und Wissensmanagement – weit über das hinaus, was herkömmliche Sprachmodelle leisten.
„Am Standort Würzburg liegt der Fokus auf dem ‚Rohstoff‘ der KI: Wir erarbeiten hochwertige Trainingsdaten und Modelle speziell für die deutsche Sprache“, so Professor Andreas Hotho, Leiter des Lehrstuhls für Informatik X (Data Science). „Zudem erforschen wir neue Methoden, um KI-Entscheidungen verständlicher zu machen, die Leistung von Modellen durch neue Standards präzise zu messen und sie an die besonderen Bedürfnisse von Anwendungsfeldern anzupassen“, ergänzt Professor Fotis Jannidis, JMU-Lehrstuhlinhaber für Computerphilologie und Neuere Deutsche Literaturgeschichte. Die beiden Professoren leiten den JMU-Teil des Projekts. (Link: Intern 211824)
Jörg Bienert vom KI-Bundesverband ergänzt: „SOOFI ist ein neben Initiativen wie der Gigafactory und dem EU AI Action Plan ein wichtiger Schritt in die Entwicklung von unabhängigen KI-Modellen als Baustein für ein offenes, unabhängiges und leistungsfähiges Ökosystem in Deutschland und Europa“.
Die 8ra-Dachinitiative
Die Förderung des Projekts läuft im Rahmen der 8ra-Dachinitiative, die von der Europäischen Union finanziert wird. Die Initiative widmet sich dem Aufbau einer widerstandsfähigen, offenen und zukunftssicheren digitalen Infrastruktur Europas. Zwölf EU-Mitgliedstaaten und 120 Industrie- und Forschungspartner sind an Projekten unter dem Dach beteiligt.
