Intern
Medizinische Fakultät

Intrige unter Göttern – als Spiegel der Menschen

04.11.2025

Wie niedere Instinkte Gewalt entfesseln, dafür liefert Homers „Ilias“ eine bis heute gültige Blaupause. Eine Schlüsselszene des Epos zeigt ein hochrangiges Gemälde. Nun konnte es für das Martin von Wagner Museum erworben werden.

Ab sofort im Martin von Wagner Museums zu bestaunen: „Thetis vor Zeus“ von Heinrich Friedrich Füger.
Ab sofort im Martin von Wagner Museum zu bestaunen: „Thetis vor Zeus“ von Heinrich Friedrich Füger. (Bild: Neumeister Auktionshaus München / Walter Beyer)

Bis ins hohe Alter hielt Martin von Wagner (1777–1858) das Andenken an seinen Wiener Akademielehrer Heinrich Friedrich Füger in hohen Ehren. Doch ausgerechnet von ihm besaß das nach Wagner benannte Kunstmuseum der Universität Würzburg bislang kein Gemälde.  

Mit der Erwerbung von Fügers Monumentalbild „Thetis vor Zeus“ konnte diese Lücke nun geschlossen werden, und zwar auf denkbar passende Weise: In der Gemäldegalerie hängt es fortan gegenüber von Martin von Wagners „Rat der Griechen vor Troja“. 

Von Homers Werk inspiriert 

Der monumentale Figurenmaßstab – „Thetis vor Zeus“ ist über zwei Meter hoch – verbindet die Gemälde von Lehrer und Schüler ebenso wie der homerische Themenkreis: Wagner schöpft aus dem zehnten Gesang der Ilias, Füger aus dem ersten.  

Mitten im Trojanischen Krieg will die Meeresgöttin Thetis ihren Sohn Achill rächen; er war von Agamemnon, dem Anführer des griechischen Heeres, entehrt worden. Mit zärtlichen Worten und Gesten bewegt sie den zunächst zögerlichen Zeus schließlich, das Kriegsglück zugunsten der Trojaner zu wenden. Das blutige Geschehen zieht sich in die Länge, mit großen Verlusten auf Seiten der Griechen.    

In seinem 1813 erstmals ausgestellten Werk hat Füger die emotionalen Aspekte des olympischen Zusammentreffens in den Mittelpunkt gerückt, vermehrt um auffallend erotische Akzente. Womöglich wollte er in Konkurrenz zu dem Gemälde gleichen Themas treten, das Jean-Auguste-Dominique Ingres 1811 in Paris präsentiert hatte. Das Verhältnis der beiden Leinwände zueinander birgt aber noch Stoff für künftige Forschungen.  

„Ein wahrhaft museales Gemälde“ 

„Das Bild ist der Füger-Forschung bestens bekannt, innerhalb seines Œuvres kommt dem Werk eine überragende Stellung zu“, unterstreicht Damian Dombrowski, Direktor der Neueren Abteilung des Martin von Wagner Museum, die Bedeutung des Ankaufs. Der Professor für Kunstgeschichte nennt „Thetis vor Zeus“ ein „wahrhaft museales Gemälde – schon von seinen Abmessungen her, erst recht aber aufgrund seiner Qualität hinsichtlich Komposition, Farbe und Faktur.“  

Zugleich reflektiere es die Homer-Begeisterung der Jahrzehnte um 1800, für die Martin von Wagners annähernd eintausend Zeichnungen zur „Ilias“ der umfangreichste künstlerische Beleg sind. Ihnen hatte das Universitätsmuseum, das sich zunehmend als Forschungszentrum zur Kunst der ‚Sattelzeit‘ versteht, 2023 eine umfassende Ausstellung gewidmet. 

Seltene Gelegenheit genutzt 

Erworben wurde das Gemälde beim Münchner Auktionshaus Neumeister. Die Hälfte der Kosten übernahm die Ernst von Siemens Kunststiftung, den Rest teilten sich der Verein der „Freunde der Würzburger Residenz“ und die Julius-Maximilians-Universität.  

Für den Zuschuss der Ernst von Siemens Kunststiftung musste binnen kürzester Zeit ein Gutachten vorgelegt werden. Dafür ließ sich der Göttinger Lehrstuhlinhaber Michael Thimann, Spezialist für die Malerei des frühen 19. Jahrhunderts, nicht lange bitten – seine Begeisterung ist dem Gutachten anzumerken. 

„Ein neuer Höhepunkt der Sammlung“ 

Darin streicht Thimann einerseits heraus, dass dermaßen große Galeriebilder im Kunsthandel äußerst selten angeboten werden. Andererseits betont er die Relevanz des Bildes für das Martin von Wagner Museum – auch weil Füger an der Wiener Kunstakademie der Lehrer nicht nur Wagners, sondern auch Friedrich Overbecks war, der zur Schlüsselfigur für die Künstlergruppe der Nazarener wurde.  

Von Overbeck besitzt das Universitätsmuseum ein bedeutendes Gemälde aus der Sammlung von Ludwig Brüls, einem deutsch-römischen Freund Martin von Wagners. „Das Gemälde Fügers würde also die Bestände des Martin von Wagner Museums aufs Beste ergänzen und wäre garantiert ein neuer Höhepunkt der Sammlung“, resümiert Thimann. 

Dieses Urteil lässt sich nun an Ort und Stelle überprüfen. Offiziell vorgestellt wird das Gemälde Anfang Dezember während der „Wagner-Tage“, mit denen die bisherige Winckelmannfeier in diesem Jahr erstmals entzerrt wird.  

Dank dieser Neuerwerbung steht der ‚Aufklärung und Klassizismus‘ gewidmete Saal der Gemäldegalerie jetzt noch deutlicher im Zeichen Homers. Der Lieblingsdichter Martin von Wagners wird dort nicht zuletzt in einer beachtlichen Terrakottabüste vergegenwärtigt, als Leihgabe des Museums für Franken.  

Lehren aus der Mythologie 

Mit dem weiteren homerischen Gemälde wird nicht nur der Goethezeit ein historisches Denkmal gesetzt. „Durch die Erinnerung an die Geschehnisse des Trojanischen Krieges werden auch Fragen aufgeworfen, die in weltpolitisch unruhigen Zeiten wieder aktuell sind“, gibt Dombrowski zu bedenken.  

„Vordergründig handelt Thetis aus mütterlichem Mitgefühl für ihren Sohn. Doch in Wirklichkeit riskiert sie wegen einer einzelnen Kränkung den Untergang des gesamten griechischen Heeres.“ Der Museumsdirektor sieht daher in dem Gemälde auch ein mahnendes Lehrstück, wie die Mächtigen aller Zeiten ihre eigennützigen Motive verfolgen – und dabei ihre eigenen Völker ins Verderben stürzen. 

Öffnungszeiten und „Wagner-Tage“ 

Die Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg ist montags bis samstags von 13:30 bis 17 Uhr geöffnet, sonntags von 10 bis 13:30 Uhr im Wechsel mit der Antikensammlung. 

Aktuell ist die Gemäldegalerie wegen Reparaturarbeiten an der Heizungsanlage geschlossen und öffnet Mitte November wieder. 

Im Dezember finden erneut die „Wagner-Tage“ statt. Das Programm – bestehend aus Wellhöfer Lecture, Winckelmann-Vortrag und Wagner Report mit Weinempfang – gibt es hier als Download

Von Damian Dombrowski

Zurück