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Medizinische Fakultät

Ein Schnellstart mit langem Atem

03.07.2025

In diesem Jahr feiern die Begabungspsychologische Beratungsstelle und das Frühstudium der Universität Würzburg ihr 20-jähriges Jubiläum. Zum Festakt waren zahlreiche Gäste angereist – darunter viele ehemalige Frühstudierende.

Ein Festakt mit Grußworten, Festvortrag und musikalischer Umrahmung: So haben die Begabungspsychologische Beratungsstelle und das Frühstudium ihr Jubiläum gefeiert.
Ein Festakt mit Grußworten, Festvortrag und musikalischer Umrahmung: So haben die Begabungspsychologische Beratungsstelle und das Frühstudium ihr Jubiläum gefeiert. (Bild: Peter Rau)

Am Anfang ist alles viel schneller gegangen als erwartet: „Im Januar 2004 hatte ich nicht gesehen, dass schon im folgenden Dezember die Begabungspsychologische Beratungsstelle und das Frühstudium die Arbeit aufnehmen würden.“ Mit dieser Aussage hat Wolfgang Schneider seinen Vortrag beim Festakt zum 20-jährigen Doppeljubiläum eingeleitet. Schneider hatte bis 2016 den Lehrstuhl für Psychologie IV der Universität Würzburg inne; er war Initiator und, von 2005 bis 2019, Direktor der Begabungspsychologischen Beratungsstelle.

Es war eine Reihe günstiger Umstände und Zufälle, die mit dafür verantwortlich waren, dass beide Angebote so schnell die Arbeit aufnehmen konnten: Kurz nachdem Wolfgang Schneider Mitglied des Beraterstabs der Karg-Stiftung geworden war, habe er dort die Anregung erhalten, eine Begabungspsychologische Beratungsstelle an der Uni Würzburg zu gründen – die Anschubfinanzierung würde die Stiftung übernehmen. Als neuberufener Vizepräsident habe Schneider die weiteren Mitglieder der Universitätsleitung schnell von dieser Idee überzeugen können. Und als dann auch noch Räume in unmittelbarer Nähe zu seinem Lehrstuhl frei wurden, sei der Gründungsfeier nichts mehr im Wege gestanden.

Regionale Anlaufstelle für Hochbegabung

Ziel sei es gewesen, eine regionale Anlaufstelle für das Themenfeld „Hochbegabung“ zu etablieren, so Schneider. Zu einer ihrer wesentlichen Aufgaben gehört die Begabungsberatung von Familien bei Anliegen im Zusammenhang mit einer (möglichen) Hochbegabung ihrer Kinder. Aber auch Erwachsene, denen sich die Frage einer potenziellen Hochbegabung stellt, können sich hier melden.

Weitere zentrale Aufgaben sind die Orientierungsberatung für Abiturientinnen und Abiturienten, Studieninteressierte und Studierende zur Wahl des passenden Studienfachs und möglicher Berufe, die psychologische Forschung rund um das Thema Begabung, die Organisation von Vorträgen und Gruppenangeboten zu Themen der Begabungsdiagnostik und -förderung – und die Durchführung des Auswahlverfahrens für das Frühstudiums.

Durchschnittlich 45 Frühstudierende pro Semester

Die Einrichtung des Frühstudiums an der JMU verlief ähnlich schnell wie die der Begabungspsychologischen Beratungsstelle – die Vorarbeiten dafür hatte Dr. Richard Greiner am Institut für Mathematik geleistet. Mit dem Gedanken „Wir könnten in Bayern die Ersten sein“ holte Schneider erneut das Placet der Universitätsleitung ein und anschließend die Zustimmung sowohl von Kultus- als auch Wissenschaftsministerium. Sogar die notwendige Änderung des Hochschulrahmengesetzes – zuvor war es Schülerinnen und Schülern nicht gestattet, an einer Universität zu studieren und Leistungen zu erbringen – ging in der Kürze der Zeit über die Bühne. „Damit konnte das Frühstudium im Wintersemester 2004/05 die Arbeit aufnehmen – mit insgesamt vier Studierenden“, so Schneider.

Seitdem stößt das Angebot auf eine rege Nachfrage: Bislang haben 896 Frühstudierende daran teilgenommen – im Durchschnitt 45 pro Semester. Das Frühstudium richtet sich an motivierte und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler (in der Regel) ab der 10. Klasse der Gymnasien; diese werden für den Besuch ausgewählter Lehrveranstaltungen vom Unterricht an der Schule befreit. Den versäumten Unterricht müssen sie selbstständig nacharbeiten.

Prinzipiell ist ein Frühstudium in jedem an der JMU angebotenen grundständigen Studiengänge möglich, sofern es dort eine entsprechende Betreuung gibt. Das ist aktuell in 22 Fächern der Fall, von Anglistik / Amerikanistik über Jura, Mathematik und Physik bis zu Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsinformatik.

Mit dem Wechsel an der Spitze kommen neue Aufgaben dazu

2016 übernahm Tobias Richter den Lehrstuhl für Psychologie IV von Wolfgang Schneider, 2019 übergab dieser ihm auch den Posten des Direktors der Begabungspsychologischen Beratungsstelle. „Damit kam ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld hinzu: das Engagement für die Weiterentwicklung der Studienangebote insbesondere im Masterstudiengang Psychologie sowie von praxisorientierten Lehrangeboten in den Lehramtsstudiengängen“, wie Richter in seinem Vortrag erläuterte. Ein Kriterium dieser Studienangebote sei die enge Verzahnung mit der Praxis über die Mitarbeit in der Beratungsstelle, so Richter. Dementsprechend würde viele Absolventinnen und Absolventen auch in diesem Bereich arbeiten.

Während der Start der beiden Angebote 2004 von glücklichen Umständen geprägt war, sah sich Richter schnell mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Die Corona-Pandemie war die erste. „In dieser Zeit mussten wir zu Beginn einen kleinen Einbruch bei der Zahl der Frühstudierenden verkraften“, so Richter. Dieser sei allerdings schnell wieder kompensiert worden, da die Universität in sehr kurzer Zeit ein digitales Lehrangebot organisiert hatte. Das sei gerade für Frühstudierende mit ihren teils langen Anfahrtswegen eine attraktive Alternative gewesen, weshalb sich die Zahlen binnen kurzer Zeit wieder „auf hohem Niveau stabilisieren konnten“, so Richter.

Die Beratungen in der Begabungsberatung erreichten in den letzten beiden Jahren jeweils Rekordzahlen, was die anhaltend hohe Nachfrage nach dem Angebot belegt. Schwieriger gestaltet sich die Situation der Orientierungsberatung. Seit dem Wegfall der Finanzierung im Rahmen des BMBF-Qualitätspakts Lehre Ende 2020 versuchen Richter und sein Team, „das Angebot auf Sparflamme aufrecht zu erhalten“. Freiwillige Spenden sind dabei zentrale Stützpfeiler; ansonsten gelte das Motto: „Wir hoffen auf bessere Zeiten“.

Talkrunde mit Frühstudierenden von einst und heute

Was wäre ein Rückblick auf eine 20-jährige Geschichte ohne die Stimme von Nutzerinnen und Nutzern der Angebote? Mindestens unvollständig. Aus diesem Grund hatte Richard Greiner ehemalige und aktuelle Frühstudierende zu einer Talkrunde eingeladen – mit Live-Schaltung in die USA. Dort arbeitet einer der ersten Frühstudenten: Thimo Heisenberg. Nachdem er sich 2005 für Philosophie eingeschrieben hatte, ist er inzwischen Professor für Philosophie an der Rice University in Houston, Texas. Für ihn sei das Frühstudium zur „überraschende Wende“ in seinem Leben geworden, erzählte Heisenberg. Eigentlich habe er nur mal kurz in die Philosophie reinschnuppern wollen, um dann später „ernsthaft“ Medizin zu studieren, „Dann hat mich aber die Philosophie so begeistert, dass ich bei ihr geblieben bin.“

Corinna Wiedenmann beurteilte ihre Zeit als Frühstudentin als „sehr prägend und als totaler Glücksfall“. Weil damit ein, im Vergleich zum Schulbesuch, relativ hoher Zeit- und Organisationsaufwand verbunden gewesen sei, habe sie neben dem Fachlichen viel im Bereich Selbstmanagement gelernt – eine Fähigkeit, die ihr noch heute in ihrer Arbeit als Director Business Development in einer international tätigen Rechtsanwaltskanzlei zugutekomme.

Zeitmanagement ist auch von Reem Ghazwan-Motaaz gefordert. Die derzeitige Frühstudentin besucht in Ansbach die Schule. Die Pendelei von dort zum Hubland-Campus sei für sie eine Herausforderung gewesen – „aber inzwischen habe ich das drauf, das zu organisieren“, sagt sie. Nicht zuletzt diese Erfahrung habe ihr Selbstbewusstsein gestärkt; wie überhaupt das Frühstudium ihr dabei geholfen habe, ihre Stärken besser zu identifizieren.

Eine vergleichbare Erfahrung hat Jonas Heintze gemacht. Er ist nach seinem Frühstudium in der Mathematik inzwischen Masterstudent an der Uni Bonn. Bus- und Zugverbindungen recherchieren blieb ihm allerdings erspart: Als Frühstudent in der Hochphase der Corona-Pandemie habe er seine Kurse durchwegs online besucht, erzählt er. Trotzdem habe er seine Kommilitonen als äußerst zuvorkommend erlebt. „Wenn ich mal Vorlesungsstoff in der Schule noch nicht gehabt hatte, gab es immer jemanden, der mir geholfen hat“, sagt er.

Und wie lautet der Tipp dieser Vier an alle anderen, die sich für ein Frühstudium interessieren? Da sind sie sich einer Meinung: „Geht euren Leidenschaften nach, macht das, was euch interessiert – und verzweifelt nicht, wenn es mal schwer wird!“

Fachvortrag zum Thema „Begabung und Begabtenförderung“

„Kooperationspartner, aktuelle und ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Fachmentoren, Frühstudierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JMU und anderer Universitäten, Lehrkräfte, Schulleitungen, Vertreterinnen und Vertreter der Regierung von Unterfranken, der Karg-Stiftung, aus der Universitätsverwaltung“: Sie, so Tobias Richter in seiner Begrüßung, und viele weitere Gäste waren für den Festakt an den Röntgenring gekommen.

Dort hörten sie auch einen Festvortrag von Franzis Preckel, Professorin für Hochbegabtenforschung und -förderung an der Universität Trier. Preckel sprach über das Thema „Begabung und Begabtenförderung unter einer Talententwicklungsperspektive“. Nicht nur inhaltlich war damit der Bezug zur Jubiläumsveranstaltung gegeben. Preckel war überdies im März 2005 auf Einladung von Wolfgang Schneider schon einmal zu Gast an der JMU. Damals um über ihre Erfahrungen als Leiterin der Begabungspsychologischen Beratungsstelle der LMU München zu berichten. Ihren Würzburger Kolleginnen und Kollegen gratulierte sie herzlich zum Jubiläum: „Ich bin sehr beeindruckt von dem, was hier seitdem gewachsen ist.“

Gratulation von der Universitätsleitung

Gratulation kam auch von der Universitätsleitung der JMU, vertreten durch Vizepräsidentin Anja Schlömerkemper. Sie sprach Wolfgang Schneider, Tobias Richter, Richard Greiner und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihren Dank für die bisher geleistete Arbeit aus; für die Zukunft wünschte sie ihnen alles Beste.

Musikalisch souverän und voller Elan umrahmt wurde die Festveranstaltung vom Hilaris Quintett, einem Holzbläser-Ensemble, bestehend aus Studierenden der Hochschule für Musik Würzburg.

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Weitere Bilder

Von Gunnar Bartsch

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