Die Schule von heute und morgen
24.06.2025Der Lehrstuhl für Mathematikdidaktik unterstützt an der Universität Würzburg (angehende) Lehrkräfte. Unter anderem durch Professionsforschung, also die wissenschaftliche Untersuchung professioneller Kompetenzen von Lehrkräften.

Die Anforderungen an Lehrkräfte verändern sich kontinuierlich – insbesondere im Fach Mathematik, das nicht nur fachliche, sondern auch gesellschaftlich relevante Kompetenzen fördern soll.
Der Lehrstuhl für Mathematik V – Didaktik der Mathematik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), unter der Leitung von Professor Hans-Stefan Siller, unterstützt deshalb (angehende) Lehrkräfte dabei, diesen Wandel aktiv mitzugestalten.
Forschung, Lehre und Praxis greifen hier gezielt ineinander, um Mathematikunterricht zeitgemäß und zukunftsorientiert zu gestalten.
Ein zentrales Forschungsfeld des mathematikdidaktischen Lehrstuhls ist die sogenannte Professionsforschung, also die wissenschaftliche Untersuchung professioneller Kompetenzen von Lehrkräften. Ziel ist es, evidenzbasierte Erkenntnisse über kognitive, affektive und motivationale Aspekte bei der Implementation und Evaluation von Problemstellungen im Mathematikunterricht zu gewinnen.
Mathematikunterricht am Geist der Zeit
Aktuell beschäftigt sich das Team intensiv mit Fragen, die sich aus der zunehmenden Digitalisierung ergeben. Wie verändert sich der Mathematikunterricht, wenn Künstliche Intelligenz zum Alltag gehört? Wie können große Datensätze im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden, etwa im Rahmen statistischer Analysen? Und wie lassen sich gesellschaftlich relevante Themen – etwa Fake News – mit mathematischen Mitteln aufarbeiten?
Konkret beforscht der Lehrstuhl hier, wie Lehrende KI-gestützte Werkzeuge bei der Erstellung und Lösung von Mathematikaufgaben, der Unterrichtplanung mit Differenzierungsmöglichkeiten sowie bei Bewertungsprozessen bereits nutzen oder nutzen können.
Zugleich wird der Einsatz von authentischen Materialien erforscht – insbesondere wie Medienberichte zur Anwendung von mathematischen Inhalten – beispielsweise großen Datensätzen im Bereich der Statistik – für einen realitätsnahen Unterricht herangezogen werden können. Dabei steht im Fokus der Materialien, kritisch mit Daten umzugehen, statistische Darstellungen zu hinterfragen oder Fakten zu überprüfen. Der Unterricht soll so nicht nur mathematisches Wissen vermitteln, sondern auch zur gesellschaftlichen Urteilsbildung, etwa bei Fake News, beitragen.
Das ist notwendig für eine informierte und mündige Gesellschaft, was aktuell in der wissenschaftlichen Forschung als „responsible and critical citizenship“ zusammengefasst wird und auch vom Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik in diversen Projekten und Publikationen umgesetzt wird.
Forschung trifft Praxis
Ein besonderer Ort der Verzahnung von Forschung und Lehre ist das Mathematik-Labor des Lehrstuhls. Hier werden theoretische Erkenntnisse in die Praxis überführt und Studierenden wird die Möglichkeit eröffnet, Einblicke in die mathematikdidaktische Forschung zu gewinnen: Im Rahmen von Lehrveranstaltungen, Projekt- oder Abschlussarbeiten entwickeln Studierende eigene mathematische Problemstellungen, setzen diese im Mathematik-Labor mit Schulklassen um und reflektieren ihre Erfahrungen wissenschaftlich. Das stärkt nicht nur ihre professionsbezogenen Kompetenzen, sondern ermöglicht auch eine praxisnahe Auseinandersetzung mit aktueller Forschung.
Diese forschungsbasierten Einsichten werden nachhaltig genutzt, um die Lehre an der Universität bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. So wurden beispielsweise gemeinsam mit Studierenden in der Vorlesung für Didaktik der Stochastik Ideen zur unterrichtlichen Umsetzung dazu erarbeitet, wie Darstellungen in Medien die Berichterstattung beeinflussen.
Nicht nur die universitäre Lehre profitiert von den Aktivitäten des Lehrstuhls – auch Lehrkräfte in der Region werden gezielt adressiert. Durch die Kooperation mit der Wolffskeel-Schule in Versbach wurden im Rahmen des MINT-Tags Möglichkeiten aufgezeigt, wie Lehrkräfte alltagsnahe Mathematik in ihren Unterricht integrieren können.
Brücken bauen durch Professionsforschung
Solche Formate zeigen, wie eine enge Zusammenarbeit zwischen Universität und Schule zur Professionalisierung auf beiden Seiten beitragen kann: Lehramtsstudierende erhalten frühzeitig Einblicke in den Schulalltag und erfahrene Lehrkräfte wiederum profitieren von neuen Impulsen aus der Forschung. Damit versteht sich der Lehrstuhl für Mathematikdidaktik als Brückenbauer zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und schulischer Praxis.
„Wir alle sollten uns der Bedeutung von Kooperation und Reflexion in der Lehrkräftebildung bewusstwerden, um eine verantwortungsbewusste und kritische Haltung gegenüber Bildungsprozessen zu entwickeln“, so Professor Hans-Stefan Siller. Denn auch Mathematiklehrkräfte haben die Verantwortung, Lernende zu kritischen und verantwortungsbewussten Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen.
Dieses Ziel hatte bereits die vom Lehrstuhl durchgeführte Tagung mit der gleichnamigen Publikation „Researching Mathematical Modelling Education in Disruptive Times“ im Jahr 2022. 2026 wird die Idee bei der geplanten ScopeMath-Tagung nochmals aufgegriffen. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Bedeutung von Mathematik als Mittel zur Förderung von kritischem Denken und gesellschaftlicher Verantwortung.
Durch die enge Verzahnung von Forschung, universitärer Lehre und schulischer Ausbildung werden (angehende) Lehrkräfte gezielt dabei unterstützt, aktuellen Herausforderungen im Mathematikunterricht kompetent zu begegnen.