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Medizinische Fakultät

Dem Tumor das Futter nehmen

29.03.2022

Von Tumoren ausgeschüttete Milchsäure reprogrammiert Lymphknoten, blockiert die Immunabwehr und schafft optimale Bedingungen für die Metastasierung – die Ergebnisse der Krebsforscherin Angela Riedel sorgen für Aufsehen.

Angela Riedel sitzt an ihrem Arbeitsplatz und blickt in die Kamera.
Angela Riedel fand mit ihrem Team heraus, dass die Milchsäure, die ein Tumor ausschüttet, die nachgeschalteten Lymphknoten reprogrammiert und die Immunabwehr blockiert. (Bild: Lukasz Lichorowicz / Universität Würzburg)

Die Einladung kam unerwartet für Angela Riedel: Die US-amerikanische Society for Immunotherapy of Cancer bat sie, Ende April 2022 beim Workshop Tumor Immune Microenvironment einen Vortrag zu halten. Die 38-jährige Biomedizinerin glaubte zunächst an einen Scherz: „Dort sprechen nur hochetablierte Wissenschaftler“, meint die Juniorgruppenleiterin am Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum für Krebsforschung der Universität und des Uniklinikums Würzburg.

Doch es war weder ein Scherz noch sollte Angela Riedel als Lückenfüllerin herhalten. Ihre Publikation mit dem Titel „Tumor-Derived Lactic Acid Modulates Activation and Metabolic Status of Draining Lymph Node Stroma“ hatte schon vor der Publikation im Journal Cancer Immunology Research international Aufsehen erregt.

Spezialgebiet tumordrainierende Lymphknoten

Tumor-Metabolismus und die Nährstoffe, die dem Tumor zur Verfügung stehen, sind Angela Riedel zufolge gerade ein großes Thema in der Krebsforschung. Dabei geht es um den Stoffwechsel des Tumors. Krebszellen sind hungrig und benötigen vor allem Glukose und Glutamin, um sich zu teilen und zu wachsen. Bei der Verstoffwechselung des Zuckers fällt Milchsäure an.

Der Biochemiker Otto Warburg hatte schon vor hundert Jahren festgestellt, dass Tumore eine hohe Milchsäurekonzentration aufweisen. Die Milchsäure ist seither Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte: „Es gibt viele Studien zum Primärtumor, ich habe hingegen ein metastatisches Gewebe untersucht. Mein Interessensgebiet ist der tumordrainierende Lymphknoten, der sehr dicht am Tumor liegt und von diesem daher stark beeinflusst wird“, erläutert Angela Riedel.

Zur Veranschaulichung zeichnet sie eine weibliche Brust an die Tafel, mit einem Tumor, von dem Flüssigkeit zum tumordrainierenden Lymphknoten fließt. Als Wächterlymphknoten filtert er als erster die vom Tumor ausgeschüttete Flüssigkeit.

Eigentlich sollte der Lymphknoten seiner immunologischen Funktion nachkommen und T-Zellen aktivieren, die den Tumor bekämpfen. Doch die T-Zellen im Lymphknoten sind gehemmt oder interagieren nicht in dem Ausmaß mit antigenpräsentierenden Zellen, wie sie es eigentlich sollten. Das fand Angela Riedel bereits 2016 in Cambridge heraus, wo sie als PostDoc tätig war. Ihren Doktor in molekularer Onkologie hatte die gebürtige Westfälin zuvor an der University of Southern Denmark in Odense gemacht.

Reprogrammierung des Lymphknotens

Warum ist das Filtersystem des Lymphknotens gehemmt? Was hat den Lymphknoten derart reprogrammiert, dass er sogar eine ideale Umgebung für Metastasen bildet?

Wenn eine Brustkrebs-Patientin Metastasen an den Lymphknoten unter den Achseln hat, ist die Prognose schlecht. Denn dann hat sich der Tumor schon ausgeweitet. Angela Riedel wollte herausfinden, wie der Tumor den Lymphknoten beeinflussen kann, noch bevor er ihn befällt. Das erforschte sie zunächst am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, dann am Uniklinikum Würzburg.

„Dabei habe ich mein Augenmerk auf die Fibroblasten gelegt. Das sind wichtige Zellen, die dem Lymphknoten die Struktur geben, ihn koordinieren und den Kontakt zwischen den dendritischen Zellen und T-Zellen herstellen. Wir haben schließlich gesehen, dass die Milchsäure das Stroma verändert. Die Untersuchungen in vitro konnten wir jetzt an Mäusen bestätigen“, sagt die Wissenschaftlerin.

Die Milchsäure, die der Tumor ausschüttet, blockiert die Immunabwehr. Der Tumor kann also die nachgeschalteten Lymphknoten reprogrammieren.

Angela Riedel möchte aber nicht nur schauen, was verschiedene Tumorarten mit dem Lymphknoten vor der Metastasierung machen. Sie will auch wissen, was passiert, wenn die Metastase da ist, wie es sich dann mit der Reprogrammierung verhält. Lässt sich die Milchsäure zum Beispiel mit der Gabe von Natriumbicarbonat neutralisieren? In ihren Versuchen waren die negativen Effektive der Milchsäure zumindest nicht mehr zu sehen, sobald der pH-Wert angehoben wurde. Nun gilt es breitere Analysen zu machen, vor allem mit Gewebeproben, die sie von der benachbarten Frauenklinik erhält.

Zucker und Fett fördern Brustkrebs und Metastasierung

Mit ihren Untersuchungen unterstreicht Angela Riedel einmal mehr die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit. Ein Übermaß an Zucker und Fett fördert Brustkrebs und die Metastasierung. „Grundsätzlich geht es darum, dem Tumor das Futter wegzunehmen“, bringt es Angela Riedel auf den Punkt.

Die Mutter einer zweieinhalbjährigen Tochter ist mit Leib und Seele Forscherin. Der tumordrainierende Lymphknoten hat es ihr besonders angetan, da er sowohl an der Immunantwort als auch am metastatischen Prozess beteiligt ist. „Er sollte die Balance halten, tut es aber nicht“, sagt sie.

Traumjob gefunden

Schon in der Schule war Angela Riedel fasziniert von der Genetik. Und gerade bei Krebs spielen Gen-Mutationen und chromosomale Änderungen eine große Rolle. Also war schnell klar, dass sie in der Biomedizin tätig sein möchte. Am Würzburger Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum, gefördert durch die Deutsche Krebshilfe, habe sie vor zwei Jahren ihren Traumjob gefunden. Sie ist hier eine von vier Juniorgruppenleitungen.

Statt im Labor zu experimentieren, sitzt sie nun zunehmend am Schreibtisch, verteilt Aufgaben, koordiniert und publiziert. „Ich dachte, der Abschied vom Labor tut weh. Aber da unsere Promovierenden so gute Arbeit leisten, wir die Ergebnisse gemeinsam auswerten und diskutieren, vermisse ich das überhaupt nicht mehr.“

Da sie habilitieren möchte, ist sie auch in die Lehre eingebunden und unterrichtet im Fach Biochemie im Schwerpunkt molekulare Onkologie. Am 21. April 2022 in San Diego werden nun statt Studierender hochkarätige Forschende vor ihr sitzen. Klar sei sie nervös. Aber sie ist sicher, auch das zu schaffen.

Publikation

Angela Riedel, Moutaz Helal, Luisa Pedro, Jonathan J. Swietlik, David Shorthouse, Werner Schmitz, Lisa Haas, Timothy Young, Ana S.H. da Costa, Sarah Davidson, Pranjali Bhandare, Elmar Wolf, Benjamin A. Hall, Christian Frezza, Thordur Oskarsson, Jacqueline D. Shields; Tumor-Derived Lactic Acid Modulates Activation and Metabolic Status of Draining Lymph Node Stroma. Cancer Immunol Res, 10. März 2022;

Zur Publikation im Web

Von Pressestelle Universitätsklinikum Würzburg

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