Arbeitsgruppe „Virtual Reality-Simulation im Medizinstudium“
Die Arbeitsgruppe „VR-Simulation im Medizinstudium“ gehört deutschlandweit zu den führenden Forschungsgruppen, wenn es um den Einsatz von Virtual Reality (VR) in der medizinischen Ausbildung geht. Seit 2020 setzen wir unsere in Kooperation mit einem Industriepartner entwickelte Notfallsimulation STEP-VR in der curricularen Lehre ein. Darüber hinaus befassen wir uns auch mit Anwendungen aus dem Bereich der Mensch-Computer-Interaktion. Wir stehen im engen Austausch mit anderen medizinischen Fakultäten, die VR einsetzen und sind Mitglied in der VR-AG der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung. Ziel unserer Forschung ist es, die didaktischen Grundlagen und Interaktionsformen zu identifizieren, die den Lernerfolg, die Akzeptanz und die Nachhaltigkeit von VR-Trainings fördern. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Fragen der Prüfungsvalidität und Fairness , da die zunehmende Integration von VR in Prüfungen neue Herausforderungen mit sich bringt – etwa im Hinblick auf unterschiedliche digitale Vorerfahrungen und Kompetenzen der Studierenden. |
Laufende Studien
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Didaktische Evaluation des Einsatzes im Seminar (2020-2022):
Studierende der Humanmedizin im 10. Semesters nutzen das VR-Trainingsprogramm in einem Begleitseminar zum Blockpraktikum Innere Medizin an der Lehrklinik. Nach dem Simulieren von virtuellen Fällen erfolgt eine ausführliche Falldiskussion mit Dozierenden. Im Rahmen einer Evaluationsstudie wurden der Realitätsgrad (Immersion), mögliche Nebenwirkungen (Simulation Sickness und Anspannung) und der subjektive Lernerfolg erhoben. Hierbei zeigte sich eine hohe Akzeptanz für den Einsatz von VR-basierter Simulation in dem Seminarkonzept sowie ein hoher subjektiver Lernerfolg bei vertretbarem Stresserleben und insgesamt zu vernachlässigender Simulation Sickness.
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RCT zu Lerneffekten durch automatisiertes Feedback in VR-basierten Simulationen (2022-2024):
VR-basierte Lehrangebote finden im Allgemeinen eine hohe Akzeptanz unter Studierenden. Allerdings ist noch unklar, ob die Nutzung von VR tatsächlich Lernvorteile bietet. In einer randomisiert-kontrollierten Studie wurden der Kompetenzgewinn und dessen Nachhaltigkeit sowie mögliche beeinflussende Faktoren (z.B. Erleben von Herausforderung während der Simulation) untersucht. Hierbei zeigte sich, dass VR-Lernumgebungen verglichen mit traditionellen Lehrmethoden zu nachhaltigerem Wissenserwerb führen können. Die Studie wurde unterstützt vom Lehrforschungspreis der Vogel-Stiftung Dr. Eckernkamp
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VR-unterstützte Prüfungen und Immersive Kompetenz (2023 - heute):
Durch den Einsatz von VR in standardisierten, praktischen Prüfungen im Format OSCE (objective structured clinical examination) sollen die bisherigen Einschränkungen analoger Prüfungsszenarien (z.B. Personal-/Materialkosten, Organisationsaufwand, eingeschränkte inhaltliche Komplexität) überwunden werden. Gefördert von der Stiftung Innovationen in der Hochschullehre wurde das bestehende VR-Trainingsprogramm um eine Prüfungsoberfläche erweitert. Die Ergebnisse zeigen, das VR-basierte Prüfungen technisch gut machbar sind und über mindestens gleichwertige Prüfungskennwerte verfügen können.
In Folgestudien untersuchen wir derzeit, inwiefern Vorerfahrung mit VR-Umgebungen und die Fähigkeit zur Bedienung von VR-Hard- und Software ("Immersive Kompetenz") möglicherweise die Ergebnisse von VR-basierten Prüfungen beeinflusst. So wollen wir sicherstellen, dass in zukünftigen VR-basierten Prüfungen niemand benachteiligt wird. Zusammen mit dem dem Lehrstuhl für Mensch-Computer Interaktion der Universität Würzburg wurde eine App zur Messung der allgemeinen Immersiven Kompetenz erstellt und in einer Pilotstudie getestet. Da jedes VR-Programm aktuell unterschiedliche Interaktionsmechanismen verwendet, haben wir auch ein Verfahren entwickelt, Immersive Kompetenz direkt in der Applikation (d.h. "in situ") zu messen. In einer randomisiert-kontrollierten Studie untersuchen wir nun, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen Immersiver Kompetenz und der medizinischen Leistung in VR gibt. Wäre dies der Fall, könnten VR-basierte Prüfungen/Assessments nicht vorbehaltlos eingesetzt werden, ohne Grundsätze von Prüfungsfairness und -validität zu gefährden.
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Erfassung der Notfallkompetenz bei Ärztinnen und Ärzten (2022-2023):
Ziel einer weiteren Studie war es, durch VR-Simulation die Praxisfertigkeiten von jungen Assistenzärztinnen und –ärzten bei der Behandlung von verschiedenen Notfallszenarien zu erheben. Danach wurden die tatsächlichen Fertigkeiten mit den subjektiven Einschätzungen verglichen. Auf diese Weise konnte ein differenziertes Bild notfallmedizinischer Fertigkeiten bei ärztlichen Berufsanfängern erhoben werden: Während grundsätzliche stabilisierende Notfallmaßnahmen gut beherrscht wurden, ergaben sich Defizite in fachspezifischer Diagnostik und Therapie. Die Gesamtergebnisse sind hier einsehbar.
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Entwicklung und didaktische Evaluation einer interprofessionellen Mehrspielerfunktion (2023 - heute):
Besonders im Bereich der Notfallmedizin hängt der Behandlungserfolg auch von der Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen ab. Ziel dieses Teilprojekts ist es, das Programm um eine Mehrspielerfunktion zu erweitern, damit zukünftig Medizinstudierende mit Lernenden aus Pflegeberufen zusammen in VR Notfälle trainieren können. Das Projekt wurde gefördert und begleitet von WueDive.
Nachdem seit Sommer 2024 die Mehrspielerfunktion zur Verfügung steht, wird aktuell erforscht, ob sich mit der VR-Umgebung interprofessionelle Teamarbeit schulen lässt. Grundlage für Schulung und Evaluation bietet das TeamSTEPPS-Framework, wozu die Steuergruppe aus dem DACH-Raum beratend unterstützt. Nach einer Pilotphase wird das Studienkonzept Anfang 2025 an fünf weiteren deutschen Standorten ausgerollt.
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Erweiterung um KI-TutorIn auf Basis eines Open-Source Large Language Models (2024 - heute):
In dem von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderten Projekt Speaking VirtuAI soll die bestehende VR-Lernumgebung um eine auf künstlicher Intelligenz basierende, virtuelle Tutorperson mit Prozessierung natürlicher Sprache erweitert werden. Kooperationspartner ist dabei der Chair for Natural Language Processing (Prof. Goran Glavaš) der Universität Würzburg. Auf diese Weise wird zukünftig ein immersives Lernerlebnis ermöglicht, welches das individuelle Tempo der Lernenden noch stärker berücksichtigt. Zudem könnte das virtuelle Notaufnahmetraining somit auch unabhängig von Lehrpersonal und dadurch häufiger und mit weniger Aufwand eingesetzt werden. In der begleitenden Forschung soll untersucht werden, inwiefern sich der mittels KI-Dialogfeedback erzielte Lernerfolg von dem mittels statischem Feedback erzielten unterscheidet.
Bilder aus den Forschungsprojekten:
Team
- Dr. med. Tobias Mühling (Leitung der Arbeitsgruppe)
- Prof. Dr. Sarah König (Leitung des Instituts)
- Franca Keicher (Ärztin)
- Marco Lindner (Doktorand)
- Isabelle Späth (Doktorandin)
- Verena Schreiner (Doktorandin)
- Marie Lehmann (Doktorandin)
- Jan Schaal (Doktorand)
- Alexander Zamzow (Arzt)
Kooperationspartner
- ThreeDee Agentur für interaktive 3D-Visualisierung München (www.threedee.de)
- Lehrstuhl für Mensch-Computer Interaktion (HCI) der Universität Würzburg (News | Human-Computer Interaction (uni-wuerzburg.de))
- Chair for Natural Language Processing der Universität Würzburg (Natural Language Processing)
- Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten (IFAS) der Universität Münster (IfAS)
Auszeichnungen/Presse
- Beitrag "Virtuelle Realität in der Medizin" im Bayerischen Rundfunk vom Juni 2025
- Multimedia-Reportage der MEDICA 2025
- "Virtual Reality im Medizinstudium" in der Wissenslandkarte des bayerischen Instituts für digitale Transformation.
- DGVS Innovationspreis „Digitale Gastroenterologie“ 2019
- Hans-Werner-Feder-Preis der DGINA 2021
- Demonstration beim Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (Artikel in der Main-Post)
- Forschungsförderpreis der Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp 2022 (Artikel in der Main-Post)
- eHealth-Podcast Folge #156 – Virtuelle Realität in medizinischer Lehre (Folge #156 - Virtuelle Realität in medizinischer Lehre - eHealth-Podcast)
- Artikel im "Tagesspiegel Background" zum Einsatz von VR in der medizinischen Ausbildung (Notwendigkeit oder spielerischer Gimmick - Tagesspiegel Background)
- Bericht über die erstmalige Durchführung einer VR-basierten OSCE-Station im Medizinstudium (https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/einblick/single/news/eine-virtuelle-patientin/)
- Podcast „Arbeit Bildung Zukunft“ – Folge #10 „Virtuelle Realität in der Medizinlehre (https://www.wueconomics.de/episodes/abz-02-10-vr-in-der-medizin-lehre)
Publikationen
- V. Schreiner, J. Backhaus, M. Lindner, M. Heinisch, S. König, S. Oberdörfer, T. Mühling (2025). Specific Immersive Competence in VR-Based Assessments: Development, Psychometric Evaluation and Associations with Medical Performance. (Preprint)
- S. Oberdörfer, M. Heinisch, T. Mühling, V. Schreiner, S. König, M. Latoschik (2025). Ready for VR? Assessing VR competence and exploring the role of human abilities and characteristics. Frontiers in Virtual Reality. https://doi.org/10.3389/frvir.2025.1608593
- F. Keicher, M. Müller, K. Ruf, C. Härtel, S. König, T. Mühling (2025). Enhancing Pediatric Emergency Training: The Impact of Virtual Reality- Simulations on Medical Student Knowledge and Learning Experience. (Preprint).
- T. Mühling, L. Demmler, J. Backhaus, S. König (2025). How Personality and Affective Responses are Associated with Skepticism towards Virtual Reality in Medical Training – A Pre-Post Intervention Study. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking. https://www.liebertpub.com/doi/10.1089/cyber.2024.0567
- M. Lehmann, J. Mikulasch, H. Poimann, J. Backhaus, S. König, T. Mühling (2025). Training and Assessing Teamwork in Interprofessional Virtual Reality-based Simulation using the TeamSTEPPS framework – Protocol for a Randomized Pre-post Intervention Study. JMIR Research Protocols https://www.researchprotocols.org/2025/1/e68705
- M. Lindner, T. Leutritz, J. Backhaus, S. König, T. Mühling (2025). Knowledge Gain and the Impact of Stress in a Virtual Reality-based Medical Emergencies Training with Automated Feedback – A Randomized Controlled Trial. Journal of Medical Internet Research https://www.jmir.org/2025/1/e67412
- T. Mühling, V. Schreiner, M. Appel, T. Leutritz, S. König (2025). Clinical Competency Assessments: A Comparative Study of Virtual-Reality-Based and Traditional Physical OSCE Stations. Journal of Medical Internet Research https://www.jmir.org/2025/1/e55066
- F. Keicher, J. Backhaus, S. König, T. Mühling (2024). Virtual reality for assessing emergency medical competencies in junior doctors – a pilot study. International Journal of Emergency Medicine. https://doi.org/10.1186/s12245-024-00721-2
- M. Lindner, T. Leutritz, J. Backhaus, S. König, T. Mühling (2023). Kompetenzgewinn und der Einfluss von Stress in einer Virtual Reality-basierten Notaufnahme. Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung 2023. doi: 10.3205/23gma151
- F. Keicher, T. Mühling, M. Müller, K. Ruf, S. König (2023). Von der Theorie in die (simulierte) Praxis – pädiatrische Notfälle in Virtual Reality für PJ-Studierende und BlockpraktikantInnen. Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung 2023. doi: 10.3205/23gma177
- T. Mühling, I. Späth, J. Backhaus, N. Milke, S. Oberdörfer, A. Meining, M. Latoschik, S. König (2023). Virtual reality in medical emergencies training: benefits, perceived stress, and learning success. Multimedia Systems. DOI: https://doi.org/10.1007/s00530-023-01102-0
Kontakt
Ansprechpartner: Dr. med. Tobias Mühling (muehling_t@ukw.de)