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Comprehensive Cancer Center Mainfranken

COVID-19 - Was kann jeder einzelne von uns tun?

23.04.2020 |

Mit einem Beitrag von Chris Germer und Kristin Neff, Co-founders, Center for Mindful Self-Compassion

Liebe Patientinnen, liebe Patienten,

Wie Sie der aktuellen Berichterstattung der Medien entnehmen können, ist das Corona Virus auch in Unterfranken längst angekommen. Wir möchten, dass Sie sich trotzdem weiterhin sicher fühlen. Dafür brauchen wir Ihre Mithilfe. Wir haben uns bis auf Weiteres dazu entschlossen alle Kurse des supportiven Angebotes zu pausieren, bis sich die Situation wieder entspannt hat (#help us flatten the curve).
Dies gilt für unser „Beweg Dich“, für unsere Kochkurse und auch für unsere Patientenseminare.

Zusätzlich finden alle Beratungssprechstunden (Arztsprechstunde Komplementärmedizin, Ernährungsberatung, Bewegungsberatung, Pflegesprechstunde) bis auf Weiteres telefonisch statt, um Sie zu schützen und gleichzeitig weiterhin unterstützen zu können. Auch werden wir in den nächsten Wochen versuchen einige Inhalte auch Online in Form von Audio oder Videodateien für Sie zur Verfügung zu stellen.

Generell besteht kein Anlass zur Sorge, wenn Sie einige weitere Verhaltensmaßnahmen berücksichtigen. Besonders wichtig ist es auf entsprechende Hygienemaßnahmen zu achten und Menschenansammlungen vorerst zu meiden. Vielleicht können Sie z.B. Verwandte oder Freunde bitten Ihnen Einkäufe und Erledigungen abzunehmen. Spaziergänge an der frischen Luft sollten Sie weiterhin gerne zum Auftanken nutzen. Die Viren können sich nach aktuellen Erkenntnissen im Freien nicht so gut halten und fallen sehr schnell auf den Boden, weswegen der Aufenthalt im Freien als unproblematisch eingeschätzt wird. Praktische Informationen und Hinweise hat die Deutsche Gesellschaft für Hämatoonkologie in einem aktuellen Informationsschreiben zusammengestellt:

Über alle infektiologischen, medizinischen, politischen und vielleicht auch wirtschaftliche Fragezeichen hinausgehend, sollten wir nicht vergessen, dass das Coronavirus nur ein Teil unseres Alltages ist. Die aktuelle Situation beängstigt und verunsichert uns alle vielleicht, aber es liegt auch eine große Chance in jeder Herausforderung. Die Chance sich auf Wesentliches zu fokussieren, die Chance für Solidarität und Mitgefühl. Was uns alle verbindet ist die geteilte Menschlichkeit in allen Facetten in dieser herausfordernden Lage.

Seine Gedanken zu diesem Aspekt teilt Chris Germer, einer der Mitbegründer des UC San Diego Center for Mindfulness, in folgendem Statement mit uns.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen alles Gute bis wir uns wieder hören!

Passen Sie gut auf sich auf!
Ihr KOI Team



Center for Mindful Self-Compassion Blog

Selbstmitgefühl und COVID-19

Von Chris Germer und Kristin Neff, Co-founders, Center for Mindful Self-Compassion

Da sich das Coronavirus auf der ganzen Welt ausbreitet, bereits in über 80 Ländern, sind wir alle in irgendeiner Weise betroffen. Das Reisen wird eingeschränkt, der Aktienmarkt stürzt ab, einige Schulen und Arbeitsplätze werden vorübergehend geschlossen, und das Handdesinfektionsmittel kostet bei Amazon bis zu 250 Dollar pro Flasche. In unserem eigenen Umfeld wurde ein MSC-Programm, das Chris in Hongkong unterrichten sollte, abgesagt, weil der Veranstaltungsort zu einer Quarantänestation gemacht wurde. Kristin musste die Ängste ihres Sohnes Rowan, der sich Sorgen um den Schulbesuch machte, zerstreuen. Epidemiologen versuchen, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen, aber es bleiben viele Fragen offen: Wie können wir die Ausbreitung des Virus verlangsamen? Welche Auswirkungen wird diese globale Epidemie haben?

"Global" ist das Schlüsselwort. Viele der Probleme, mit denen wir jetzt konfrontiert sind, sind globaler Natur, wie z.B. die Erwärmung, die wirtschaftliche Ungleichheit und jetzt ein ansteckendes Virus. Das Coronavirus zeigt auf, wie sehr wir voneinander abhängig sind, insofern als unterbrochene Lieferketten die Produktionsprozesse verlangsamen und internationale Reisen das Virus verbreiten.

Die Globalisierung ist eine Tatsache – die einzige Wahl  ist, ob wir gemeinsam an der Lösung unserer Probleme arbeiten werden. Unserer Ansicht nach besteht die Wahl zwischen einer unüberlegten Reaktion aus Angst heraus oder einer gewählten Antwort aus Freundlichkeit.

Währen Nationalisten das Coronavirus aufgreifen, um ihre Agenda der geschlossenen Grenzen voranzutreiben, arbeiten andere grenzüberschreitend an der Lösung des Problems, wie etwa eine neue Zusammenarbeit zwischen Harvard-Wissenschaftlern und ihren chinesischen Kollegen, um einen COVID-19-Impfstoff zu entwickeln.

Was kann jeder einzelne von uns tun? Hier kommt Selbstmitgefühl ins Spiel. Selbstmitgefühl stärkt das Immunsystem, reduziert Angst und ist der einfachste Weg, unser Herz für andere offen zu halten. Ein gewisses Maß an Angst ist natürlich eine gesunde Reaktion auf einen ansteckenden Virus. Wir wollen auf die Ansteckung auf kluge Weise reagieren – mit vorbeugenden Maßnahmen, die uns selbst und anderen zugutekommen.

Im Fall von COVID-19 ist das Ergreifen von Vorsichtsmaßnahmen, um sich nicht mit dem Virus anzustecken, gleichbedeutend mit der Fürsorge für andere.

Selbstmitgefühl kann helfen, wenn das Virus dir unnötige Ängste bereitet, deine Arbeits- oder Reisefähigkeit einschränkt, dein Einkommen verringert oder wenn Du oder jemand, den Du kennst, sich bereits mit dem Virus infiziert hat.

Eine selbstmitfühlende Reaktion auf die COVID-19-Epidemie kann nach dem Vorbild der "Selbstmitgefühlspause" etwa so aussehen:

  • Achtsamkeit – Mach dir bewusst, was Du in Bezug auf den Virus erfährst. Fühlst Du dich ängstlich, entmutigt, verwirrt? Kannst Du es in deinem Körper spüren? Wenn ja, wo? Ist dein Geist mit dem Virus beschäftigt? Wenn ja, was sind deine Gedanken? Kannst Du dir selbst auf freundliche und verständnisvolle Weise bestätigen, wie Du gerade denkst oder fühlst? Zum Beispiel: "Ja, das ist schwer." "Das ist schwierig." "Das ist wirklich stressig." Kannst Du um um deine Gefühle herum etwas Raum schaffen, in dem Wissen, dass dies Teil der aktuellen Situation ist, in der wir uns alle befinden?
  • Gemeinsames Menschsein – Wenn Du Nachrichten von Menschen hörst, die mit dem Virus zu kämpfen haben, kannst Du dann zulassen, dass dies dein Gefühl, Teil einer globalen Familie zu sein, bestärkt, anstatt dich getrennt zu fühlen? Kannst Du dich in ihrer Situation versetzen und sagen: "Genauso wie ich "? Oder wenn Du über deine eigenes Leiden nachdenkst, kannst Du dich daran erinnern: "Andere fühlen sich genauso, wie ich – ich bin damit nicht alleine." "Krankheit ist ein Teil des Lebens." "So fühlt es sich also an, genau jetzt menschlich zu sein."
  • Selbstfreundlichkeit – Versuche, eine Hand auf dein Herz oder einen anderen beruhigenden Körperteil zu legen, und hilf dir mit dieser Berührung einige deiner Ängste zu beruhigen. Welche Worte musst Du hören, um dich jetzt hinsichtlich dem Virus zu trösten oder zu beruhigen? Sind sie realistisch? Kannst Du zu dir selbst mit einer warmen, mitfühlenden Stimme sprechen? Welche Handlungen musst Du ergreifen, um dich zu schützen oder für dich selbst zu sorgen? Kannst Du dich selbst ermutigen und dabei unterstützten, diese Schritte zu unternehmen?

Erforsche ob dich diese Praxis entspannter und mitfühlender werden lässt oder dich zu positiven Maßnahmen ermutigt. Fühle dich frei, deinen eigenen Weg zu finden, um mit dir selbst mitfühlend zu sein, vielleicht indem Du dich auf alltägliche Verhaltensweisen zur Selbstversorgung einlassen, wie z.B. eine Tasse Tee zu genießen oder ein warmes Bad zu nehmen.

Wie jede Krise ist auch das COVID-19 Virus eine Chance.

Du könntest zum Beispiel einen Silberstreifen in den Beschränkungen finden, die das Virus deinem Leben auferlegt – eine Gelegenheit, aus deiner gewohnten Routine auszubrechen. Hast Du mehr Zeit, die Du mit deiner Familie verbringen kannst? Ist das deine Chance, ein Buch zu lesen, das Du seit Monaten sehnsüchtig angeschaut hast?

Auch in der Gesamtbetrachtung kann es einen Silberstreif geben. Als Chris 2016 mit einem Uber zum Flughafen von Sydney zurückfuhr, fragte er den Fahrer, einen älteren Mann aus Indien, was er über die politische Situation in Amerika denke. Die Antwort des Fahrers war unvergesslich:

"Die menschliche Geschichte durchläuft Zyklen der Expansion und Kontraktion, aber die Perioden der Expansion sind länger als die Perioden der Kontraktion". "Warum sind die Expansionszeiten länger?" fragte Chris. Der Fahrer antwortete: "Weil das menschliche Herz die Ausdehnung vorzieht".

Aufgrund der Globalisierung scheint es, dass Bedrohungen wie das Coronavirus im Laufe der Jahre nur noch zunehmen werden. Was für eine Welt wollen wir schaffen, wenn wir uns durch sie hindurch bewegen? Werden sich unsere Herzen ausdehnen oder zusammenziehen, wenn sie auf jede neue Herausforderung stoßen? Ein globales Engagement für ein mitfühlendes Leben kann den ganzen Unterschied ausmachen, und Selbstmitgefühl scheint ein ausgezeichneter Anfang zu sein. Sollen wir?


Quelle: https://centerformsc.org/self-compassion-and-covid-19/
Ins Deutsche übertragen von Dennis Johnson