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Es bleibt noch viel zu tun

21.01.2013 |
Von Pressestelle Uni Würzburg

Mit einem Vortrag und etlichen Grußworten hat die Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung KIS ihr fünfjähriges Bestehen gefeiert. Dabei wurde klar, dass der Weg zu einer gleichberechtigten Teilhabe noch lang ist.

Sie informiert und berät betroffene Studierende, aber auch Dozenten und Beschäftigte. Sie kümmert sich um Weiterbildungen und setzt sich dafür ein, dass die Barrierefreiheit der Unigebäude weiter verbessert wird. Vor fünf Jahren, im Januar 2008, hat an der Universität Würzburg die Kontakt- und Informationsstelle (KIS) für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung ihre Arbeit aufgenommen.

Zur Feier des Jubiläums hatten die Verantwortlichen – Professor Reinhard Lelgemann, Beauftragter der Hochschulleitung der Universität für Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten, und Sandra Ohlenforst, seit April 2010 Leiterin von KIS – in den großen Hörsaal am Wittelsbacherplatz eingeladen. Neben zahlreichen Grußworten bekamen die Besucher dort den Festvortrag von Professor Felix Welti von der Universität Kassel zu hören. Welti sprach über „Die UN-Behindertenrechtskonvention – angemessene Vorkehrungen für den Zugang behinderter Menschen zur Hochschulbildung“.

Fünf Jahre Bemühungen um mehr Teilhabe

Die zeitliche Nähe war ein Zufall: Im Januar 2008 nahm KIS an der Universität Würzburg die Arbeit auf, damals noch unter der Leitung der Diplompädagogin Mechthild Klostermann. Zur gleichen Zeit beschäftigte sich der Deutsche Bundestag mit der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK), die er Ende des Jahres ratifizierte. „Fünf Jahre BRK und fünf Jahre KIS: Das sind fünf Jahre Bemühungen um mehr Teilhabe und Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen in Deutschland“, sagte Welti. Viel sei in dieser Zeit erreicht worden, doch es bleibe noch viel zu tun, so der Jurist. Sein Wunsch für die Verantwortlichen von KIS lautete deshalb: „Bleiben Sie so lange bestehen, wie es nötig ist.“

Zuvor war Welti in seinem Vortrag der Frage nachgegangen, in welchem Verhältnis deutsches und europäisches Recht und die UN-Behindertenrechtskonvention stehen. Schließlich gab es schon lange bevor der Bundestag die BRK ratifizierte Regelungen in nationalen Gesetzen und Verordnungen. Beispielsweise fordert das Grundgesetz seit 1994 in Artikel 3, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe. Ebenso enthält die Grundrechtecharta der Europäischen Union neben dem allgemeinen Gleichheitsgebot spezifische Diskriminierungsverbote, zu denen explizit auch der Fall einer Behinderung zählt. „Es gab also auch schon vor der Ratifizierung der BRK vergleichbare Regelungen. Aber erst das BRK hat diese alle zusammengeführt“, erklärte Welti.

Fragen der Zuständigkeit und der Gültigkeit

Was für den Laien nach klaren Vorgaben klingt, stellt den Juristen vor eine Vielzahl von Fragen, die sich üblicherweise erst im praktischen Alltag zeigen. Darf der Bund einen Vertrag ratifizieren, der beispielsweise im Bereich Bildung Gebiete berührt, für die die Länder alleine zuständig sind – wie etwa Schulen und Hochschulen. „Ja“, sagte Welti – zum einen, weil die BRK vorschreibt, dass diese Regeln für alle Teile eines Staates gelten. Und zum zweiten, weil die Zustimmung der Länder mit der Zustimmung des Bundesrats eingeholt worden war.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Passage im Artikel 24 der BRK, wonach die Vertragsstaaten sicherstellen, dass „angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden“, um so das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung zu gewährleisten? Stellt ein Bauzaun eine angemessene Vorkehrung zur Absicherung einer Baustelle dar? Oder muss er kontrastreich gestaltet sein, damit Menschen mit einer Sehbehinderung ihn rechtzeitig erkennen können? Oder braucht es sogar eine zusätzliche akustische Warnung, damit auch Blinde das Hindernis auf ihrem Weg erkennen?

Was ist ein „zumutbarer Aufwand“?

Und was bedeutet es in der Praxis, wenn der Gesetzgeber verlangt, dass Hemmnisse „mit zumutbarem Aufwand“ behoben werden müssen? „Dass Prüfungen nur in Räumen stattfinden, die über einen Aufzug oder eine Rampe zu erreichen sind; dass Prüfungsfragen auch in Brailleschrift gestellt werden; dass ein Labortisch für Rollstuhlfahrer geeignet ist: Das alles sind zumutbare Vorkehrungen“, sagte Welti – und machte an diesem Beispiel deutlich, dass Diskriminierung häufig nicht im Tun, sondern noch häufiger in einem Unterlassen besteht, dann nämlich, wenn solche Vorkehrungen nicht bedacht werden.

Barrierefreiheit an Hochschulen berührt viele Aspekte. Nicht nur Gebäude müssen so gestaltet sein, dass auch Menschen mit einer Behinderung sie problemlos betreten können. Schon die Bewerbung um einen Studienplatz muss nach Weltis Worten das Prinzip der Barrierefreiheit erfüllen. Dass bei Um- und Neubauten im Hochschulbereich heute die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden müssen, bezeichnete Welti als Erfolg. Dass es in all den Gesetzen und Verordnungen keine Aussagen über den Umgang mit bereits bestehenden Gebäuden gibt, sieht er als „Schwäche“ des Gesetzgebers. „Das deutsche Recht bleibt in diesem Punkt hinter der BRK zurück. Das kann nicht so bleiben“, sagte er.

Die besonderen Probleme an Hochschulen

Überhaupt ist die Situation für Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten noch weit vom erstrebten Zustand einer Diskriminierungsfreiheit entfernt, findet Welti. Gerade in Zeiten eines verschärften Wettbewerbs seien Hochschulen an „guten und einfachen“ Studierenden interessiert. Studierende mit einer Behinderung stellten dabei nur ein Hindernis dar. Wo die Freiheit der Lehre auf das Recht auf eine diskriminierungsfreie Ausbildung stößt, bleiben Konflikte nicht aus.

Dann seien Hochschulen und Gesetzgeber gefordert. Prüfungsvorbereitungen, die den Fortschritt von Assistenzsystemen einbeziehen; eine stufenweise Eingliederung von psychisch Kranken, wie es sie in der Arbeitswelt längst gibt; Teilzeitstudiengänge und spezielle Regelungen beim Bafög, die krankheitsbedingte Unterbrechungen und Verzögerungen akzeptieren: Das sind nur ein paar Punkte auf einer langen Liste von Maßnahmen, mit denen Hochschulen dazu beitragen können, dass Menschen mit einer Behinderung tatsächlich ihr Recht auf Bildung „ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit“ verwirklichen können, wie es die UN Behindertenrechtskonvention fordert.

Glückwünsche und Grußworte

Glückwünsche zum fünfjährigen Bestehen und die besten Wünsche für die Zukunft überbrachte eine Reihe weiterer Redner während der Feierstunde: Unikanzler Dr. Uwe Klug für die Hochschulleitung; Bezirksrat Dr. Peter Motsch für den Bezirk, der Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib für die SPD-Fraktion im Landtag; Bürgermeister Dr. Adolf Bauer und der Behindertenbeauftragte der Stadt Karl-Heinz Marx für Würzburg.

Dabei dürften vermutlich alle Marx‘ Worten zugestimmt haben: „Bildung ist das Tor zur Teilhabe. Deshalb müssen nicht nur Barrieren im Bau aus dem Weg geräumt werden. Auch die Barrieren in der Wissensvermittlung gehören abgebaut.“

Kontakt

Prof. Dr. Reinhard Lelgemann, T: (0931) 31-84833, E-Mail: 

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Sandra Ohlenforst, T: (0931) 31-84052, E-Mail:

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