Ein Schwarzes Loch als Teilchenkanone
Observatorien in Namibia, den USA und auf La Palma mussten zusammenarbeiten, um dem Mechanismus der Energiefreisetzung im Zentrum der Galaxie M87 auf die Spur zu kommen. Dort werden Teilchen auf hohe Energien beschleunigt. An der Suche beteiligt waren auch Astronomen der Uni Würzburg.
Messier 87 (M87) ist eine gigantische Galaxie in – aus astronomischer Sicht – unmittelbarer Nachbarschaft zur Milchstraße – sie ist nur etwa 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. In ihrem Zentrum befindet sich ein Schwarzes Loch mit der unvorstellbar großen Masse von mehr als sechs Milliarden unserer Sonnen. In so genannten “Jets” schießen gewaltige Plasmaströme aus dem Zentrum der Galaxie heraus und beschleunigen dabei geladene Teilchen wie Elektronen und Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit. Ein unvermeidliches Nebenprodukt dieser Beschleunigung sind hochenergetische Gammastrahlen. Die Lichtteilchen dieser Strahlung besitzen rund tausend Milliarden Mal mehr Energie als die des sichtbaren Lichts.
Extreme physikalische Bedingungen
Astrophysiker sind an dieser Form der Gammastrahlung äußerst interessiert; schließlich handelt es sich bei ihr um eine sehr durchdringende Form elektromagnetischer Strahlung, mit der das Innenleben extremer astrophysikalischer Objekte untersucht werden kann. „Die Beobachtung dieser Strahlung erlaubt es, extreme physikalische Bedingungen im Universum, wie sie durch die starke Gravitation in der Nähe Schwarzer Löcher verursacht werden, zu erforschen, was in Labors auf der Erde nicht möglich wäre“, erklärt Karl Mannheim, Inhaber des Lehrstuhls für Astronomie an der Universität Würzburg.
Ob die beobachtete Gammastrahlung von M87 aber tatsächlich aus der Nähe des zentralen Schwarzen Loches stammt, oder beim Aufprall der Plasmastrahlen auf das intergalaktische Medium – so bezeichnen Astrophysiker Gas, das den Raum zwischen Galaxien füllt – entsteht, konnte bislang nicht geklärt werden. Erste Anzeichen hochenergetischer Gammastrahlung aus Messier 87 hatten Astronomen bereits im Jahr 1998 entdeckt. Spätere Untersuchungen mit neuen Teleskopen zeigten dann eine rasche Variation der Gammastrahlenintensität innerhalb weniger Tage, was dafür spricht, dass die Quellregion der hochenergetischen Gammastrahlung ungewöhnlich kompakt ist. Aber wo genau in M 87 sitzt diese Strahlenquelle? Diese Frage ließ sich mit der bisherigen Beobachtungstechnik nicht klären.
Eine Kontinente überspannende Zusammenarbeit
Um doch eine Antwort zu bekommen, schlossen sich im Januar 2008 die drei weltweit führenden Observatorien zur Beobachtung hochenergetischer Gammastrahlung zusammen. Teleskope auf der Kanareninsel La Palma, in Namibia und in Arizona, USA richteten ihren Blick gemeinsam auf M 87. Unterstützt wurden sie außerdem von dem Radioteleskopsystem Very Large Baseline Array (VLBA). Dies Beobachtungssystem erstreckt sich über das gesamte Gebiet der USA; es erfasst Gammastrahlung von vergleichsweise niedriger Energie.
Im Zeitraum von Januar bis Mai 2008 zeichneten die Wissenschaftler auf diese Weise mehr als 120 Stunden Daten auf, die auch in Würzburg unter Beteiligung von Doktoranden des Lehrstuhls für Astronomie analysiert wurden. Innerhalb dieser Zeit konnten die Astronomen zwei große Strahlungsausbrüche im sehr hochenergetischen Gammastrahlungsbereich verfolgen. Die Beobachtung des Zentrums von M 87 zeigte außerdem einen stetigen Anstieg des Radioflusses aus seinem Innersten. Die hohe räumliche Auflösung dieser Beobachtungen erlaubte es, den Ursprungsort der Strahlung genau zu bestimmen. Er lag innerhalb von etwa dem Hundertfachen der Ausdehnung des Schwarzen Loches.
Heller als Milliarden Sterne
„Die gleichzeitige Beobachtung dieses aktiven galaktischen Kerns in den niedrigsten und höchsten Bereichen des elektromagnetischen Spektrums weist darauf hin, dass in Messier 87 Elementarteilchen in unmittelbarer Nähe des zentralen Schwarzen Lochs auf sehr hohe Energien beschleunigt werden“, erklärt Karl Mannheim das Ergebnis. Und was bedeutet das für den Astronomen? „Die Natur dieser zentralen Maschine, die heller als Milliarden Sterne strahlt und dabei kleiner als unser Sonnensystem ist, ist von großer Bedeutung für die Frage der Energiefreisetzung“, sagt Mannheim. So sei die Energiefreisetzung in M87 viel größer, als sie durch Kernfusion zustande kommen könnte. Vermutlich, so der Astronom, stürzt dort Material auf ein supermassives Schwarzes Loch mit sechs Milliarden Sonnenmassen, wobei starke Magnetfelder und Plasmastrahlen entstehen.
Das Magic-Teleskop
„Major Atmospheric Gamma-Ray Imaging Cherenkov“ – oder kurz Magic – lautet der Name des an der Untersuchung beteiligten Teleskops auf der Kanareninsel La Palma. Für seinen Bau und Betrieb waren beziehungsweise sind insgesamt etwa 150 Wissenschaftler aus Deutschland, Italien, Spanien, der Schweiz, Polen, Finnland, Kroatien, Bulgarien und den USA beteiligt – darunter auch der Lehrstuhl für Astronomie der Universität Würzburg. Magic gehört zu der neuesten Generation der atmosphärischen Cherenkov-Teleskope an. Mit seinem Spiegel, der einen Durchmesser von 17 Metern hat, und mit ultra-schneller Elektronik beobachtet es schwache blaue Lichtblitze, das so genannte Cherenkov-Licht. Diese Lichtblitze entstehen, wenn hochenergetische Gammateilchen mit den Atomen und Molekülen der Erdatmosphäre reagieren und ein Schauer aus sub-atomaren Teilchen entsteht.
Seit 2004 in Betrieb, hat Magic unter anderem die nach aktuellem Stand am weitesten entfernte Quelle hochenergetischer Gammastrahlung entdeckt – die Entfernung zu uns beträgt mehr als fünf Milliarden Lichtjahre. Weiterhin konnte mit Magic Gammastrahlung von einem schnell rotierenden Neutronenstern, dem Krebspulsar, nachgewiesen werden. Vor Kurzem erst wurde auf La Palma ein zweites Magic-Teleskop in Betrieb genommen. Die Kombination beider Spiegel steigert die Empfindlichkeit der Aufnahmen und ermöglicht so die Beobachtung auch von schwächeren Gammastrahlenquellen.
Neue Teleskope mit höherer Empfindlichkeit
In der Zukunft werden die Teams der Teleskope auf La Palma und in Namibia ihre Zusammenarbeit im Rahmen des europäischen Projekts Cherenkov Telescope Array (CTA) fortführen. Dieses Gammastrahlenobservatorium der nächsten Generation wird aus etwa 100 Einzelteleskopen bestehen und, verglichen mit der aktuellen Generation von Instrumenten, eine zehnmal höhere Empfindlichkeit aufweisen.
V. A. Acciari et al.: Radio Imaging of the Very-High-Energy Gamma-Ray Emission Region in the Central Engine of a Radio Galaxy. Sciencexpress, July 2, 2009
Kontakt: Prof. Dr. Karl Mannheim, T: (0931) 888 5030, E-Mail:
mannheim@astro.uni-wuerzburg.de
Weitere Informationen über das Magic-Teleskop:
http://wwwmagic.mpp.mpg.de/