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Lehrstuhl für Orthopädie und Lehrstuhl für Regeneration Muskuloskelettaler Gewebe

Quarks & Co - Leben mit Glasknochen

Sendung vom 05. November 2013

Im Spannungsfeld zwischen Seltenen Erkrankungen und Volkskrankheiten: Glasknochenkrankheit und Osteoporose

Quarks und Co beschäftigt sich mit Knochenerkrankungen. Die Osteogenesis Imperfecta ist im Volksmund als die „Glasknochenkrankheit“ bekannt geworden. In einer Ausgabe der Sendung Quarks und Co (WDR, Moderation Ranga Yogeshwar) wurde diese Erkrankung der Öffentlichkeit näher gebracht. Am Beispiel des persönlichen Schicksals des Arztes Dr. Oliver Semler aus Köln wurde einerseits die persönliche Belastung durch eine solche Krankheit gezeigt, andererseits in eindrucksvoller Weise demonstriert, wie man trotz einer beeinträchtigenden erblichen Erkrankung das Leben meistern kann. Dr. Semler hat es geschafft, ein Medizinstudium zu absolvieren, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen und sich international einen Namen zu machen als Forscher über ebendiese Krankheit.


Was ist Glasknochenkrankheit?

Die Osteogenesis Imperfecta tritt mit einem breiten Spektrum an Manifestationen auf, von ganz milden Verlaufsformen bis zu solchen, die bereits im Mutterleib zu vielen Knochenbrüchen führen und dann häufig ein Leben im Rollstuhl bedingen. Es handelt sich in den allermeisten Fällen um Mutationen (Veränderungen des Erbgutes), welche die Herstellung des Kollagens verändern und dadurch Veränderungen in der Verkalkung des Knochens bedingen. Der Knochen wird spröde und kann bereits im Alltag unter geringer Belastung brechen. In jüngster Zeit weiß man zudem, dass solche Veränderungen im Kollagen auch schwere Defekte der Knochenneubildung hervorrufen. Die Behandlungsmöglichkeiten sind noch sehr eingeschränkt. In Köln haben die beiden Wissenschaftler Prof. Dr. Schönau und Dr. Semler ein beeindruckendes Zentrum aufgebaut, das sich mit der medikamentösen und multimodalen Behandlung betroffener Kinder befasst http://kinderklinik.uk-koeln.de/klinik-schwerpunkte/endokrinologie-diabetologie/osteologie. Multimodal heißt in diesem Fall ganz besonders, dass man sich um die Zusammenhänge zwischen Muskel und Knochen kümmert und betroffenen Kindern wieder auf die Beine hilft, indem man die Muskulatur gezielt aufbauend trainiert.

Werden seltene Erkrankungen gegenüber Volkskrankheiten benachteiligt?

In der Sendung wurde auch die Problematik seltener Erkrankungen allgemein angesprochen. Noch vor kurzem galt, dass seltene Erkrankungen auch selten ausreichend erforscht werden, da sie keinen Markt bieten für die Entwicklung neuer Arzneimittel. Hier ist besonders auch im Feld der Erforschung von Muskel, Knochen und Gelenken ein Umdenken zu verzeichnen. Aus der Aufklärung der molekularen Mechanismen, aus denen seltene Erkrankungen entstehen, gewinnen Forscher neue Erkenntnisse für über die Regulation des Knochens und der Muskulatur. Diese Erkenntnisse können dann gezielt zur Entwicklung neuer Arzneimittel eingesetzt werden, die auch zur Behandlung von häufigen Volkskrankheiten wie Osteoporose eingesetzt werden. Umgekehrt wird die Wirksamkeit solcher Arzneimittel dann auch immer häufiger bei seltenen Erkrankungen erprobt. Um diese Verbindungen darzustellen wurde ein Teil der Filmbeiträge im Orthopädischen Zentrum für Muskuloskelettale Forschung in Würzburg gedreht. Dort findet relevante Osteoporose-Forschung statt, die sich gleichzeitig um eine enge Verbindung zur so genannten Translation bemüht, das heißt um die beschleunigte Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Behandlung von Patienten. Als Beispiel für eine gelungene Entwicklung kann man die so genannte Sclerosteosis anführen, eine sehr seltene Erkrankung bei der die Betroffenen zu viel Knochen bilden. Das Prinzip des „zu viel“ kann in diesem Fall zeitweise verwendet werden, um Menschen mit „zu wenig“ Knochen zu behandeln, wie z.B. Menschen mit Osteoporose oder eben auch seltenen Erkrankungen wie Osteogenesis Imperfecta. Aus der Aufklärung der Sclerosteosis hat sich das Behandlungsprinzip Anti-Sklerostin entwickelt, das neuen Knochen aufbaut. In Würzburg wurde dieses Prinzip bereits bei Patienten mit Hypophosphatasie und bei Patienten mit Glasknochenkrankheit getestet. Derzeit ist die Studieneinheit des König-Ludwig-Hauses unter der Leitung von Dr. Lothar Seefried an einer internationalen Studie beteiligt, in der das Potential des Anti-Sklerostin bei Osteoporose-Patienten getestet wird. Unter dem Strich kann man festhalten, dass heute die Forschung über häufige Krankheiten und die Forschung über seltene Krankheiten voneinander profitieren, und das ist sicher eine erfreulich Entwicklung, die der Benachteiligung von Menschen mit seltenen Erkrankungen entgegenwirkt.