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  • Frontansicht des König-Ludwig-Hauses Heute und vor 100 Jahren
Lehrstuhl für Orthopädie und Lehrstuhl für Regeneration Muskuloskelettaler Gewebe

Die Zukunft des Alterns

Interdisziplinäre Muskuloskelettale Forschungszentren entwickeln neue Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit im Alter und der Unabhängigkeit der Älteren - das "Muskuloskelettale Centrum Würzburg MCW"

Muskel- und Knochenerkrankungen stehen nach den Erkrankungen der Atemwege an zweiter Stelle als Ursache für kurzfristige krankheitsbedingte Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Sie sind die häufigste Ursache für langfristige Arbeitsunfähigkeit. In Europa ereignen sich mehr als 3 Mio osteoporotische Frakturen pro Jahr, diese bedingen den Verlust von 2 Mio behinderungsbereinigten Lebensjahren (Disability-Adjusted Life Years, DALY) und eine finanzielle Krankheitslast von 36 Mrd. €, die bis 2030 50 Milliarden€ übersteigen wird. Sarkopenie ist der allmähliche Verlust von Muskelmasse und -Kraft, der zu Behinderung, Abhängigkeit und Krankenhausaufenthalt führt. Die Inzidenz dieser neuen Epidemie, die eng in Wechselwirkung mit Osteoporose steht, steigt dramatisch. Die Prävalenz der Sarkopenie beträgt 22,6% bei Frauen und 26,8% bei Männern im Alter> 65, während sie in den Kohorten > 80 bis 31,0% bei Frauen und 52,9% bei Männern ansteigt.

Die klinischen Herausforderungen bei Arthrose, Osteoporose und Sarkopenie
Die Entwicklung präventiver Strategien für den Verlust von Knochen, Muskeln und Knorpel bei betroffenen Patienten ist ein vorrangiges Ziel unserer Forschung. Körperliche Bewegung ist eine wichtige Vorbeugungsmaßnahme für Osteoporose und Sarkopenie. Um individuelle Suszeptibilitäts-Faktoren zu identifizieren ist es jedoch ebenso wichtig, Defekte der molekularen Signalwege der Regeneration bei betroffenen Personen zu beschreiben. Es ist auch notwendig, Hindernisse für eine adäquate Regeneration bei älteren Menschen zu charakterisieren, und das Auftreten von Frakturen bei Implantaten zu reduzieren. Es ist essentiell, die Inzidenz von Stürzen zu verringern und die neuromuskulären Funktionen zu verbessern. Auch ist es dringend notwendig, neue Methoden für die Knorpelregeneration zu finden, die reifen elastischen Knorpel generieren und nicht nur Faserknorpel, wie dies bei allen derzeit angewendeten zellbasierten Verfahren der Fall ist.

Die Notwendigkeit der interdisziplinären Patientenversorgung und Forschung - Fakultäts-übergreifende Ansätze in Clustern
Muskuloskelettale Probleme involvieren viele klinische Disziplinen, von der Orthopädie / Unfallchirurgie und dem Internisten bis zum Geriater und Rehabilitations-Spezialisten. Rehabilitation in den Fokus zu nehmen bedeutet, Spezialisten für Sport und Ernährung bei älteren Menschen sowie Konstrukteure von Prothesen und Orthesen zu beteiligen. Darüber hinaus ist es unbedingt notwendig, Material-Spezialisten, Zellbiologen, Pharmakologen / pharmazeutische Technologen und Biotechnologen zu involvieren, um maßgeschneiderte Materialien und Geräte zu entwickeln, die chirurgische Eingriffe unterstützen und integrale Ansätze zur Geweberegeneration ins Tissue Engineering zu integrieren. Deshalb müssen nachhaltige Forschungsinitiativen viele Disziplinen und Fakultäts-übergreifende Interaktionen umfassen, die Life Science, Materialwissenschaft, Technische Wissenschaften und Sozialwissenschaften zusammen bringen.
 
Stammzellen als Werkzeuge und Ziele in der Regenerativen Medizin
Klassische pharmakologische Ansätze zielen in Richtung Verbesserung der Gewebe-Funktionen, wie z.B. die Kontraktilität des versagenden Herzens oder Mineralisierung von osteoporotischem Knochen. Regenerative Medizin will die natürliche Geweberegeneration anstoßen oder ersetzen. Hämatopoetische Stammzelltransplantation hat sich in der Onkologie als Routine-Behandlungsstrategie etabliert. Mesenchymale Stammzellen, MSC, sind bei der Regeneration nach Verletzungen und bei degenerativen Erkrankungen beteiligt. MSC sind ausgezeichnete Kandidaten für zellbasierte Therapien in Indikationen wie Herzinfarkt und Hirninfarkt, avaskuläre Knochen-Nekrose und Knorpelersatz. Sie haben ein therapeutische Potenzial sowohl als „Bystander“ zur lokalen Freisetzung von Wachstums- und Angiogenese-Faktoren sowie als Skelettale Vorläufer für die Regeneration von Knochen, Knorpel, Bänder und Sehnen. Mehr noch, sie haben möglicherweise vielleicht ein Potenzial zur Immunmodulation, Neuro-Regeneration und Behandlung von Stoffwechselerkrankungen.

Kennzeichen der Alterung – Implementierung der Pathologien von Altern und Krankheiten in Tissue Engineering Strategien
Forschung in der Regenerativen Medizin beschäftigt sich oft mit gesunden und jungen Organismen. Es gibt jedoch definierte Hindernisse für die Regeneration im alten Organismus. Daher erscheint es zwingend, maßgeschneiderte Strategien zu entwickeln, zugeschnitten auf die spezifischen Herausforderungen im alternden Organismus und in der Multi-Morbidität. Die Serumspiegel von Inhibitoren für die Geweberegeneration wie Sclerostin, Activin und Myostatin sind bei Osteoporose und Sarkopenie erhöht. Antagonisten für diese Inhibitoren sind bereits in klinischen Studien, mit bemerkenswerten anabolen Wirkungen auf Knochen und Muskeln. Multimodale Strategien die maßgeschneiderte Programme für Bewegung, Ernährung und Medizinische Behandlung enthalten, werden optimierte Regeneration bei Muskel- und Skeletterkrankungen im alternden Organismus bewirken. Werkzeuge und Strategien wie die "Hemmung der Inhibitoren" werden derzeit entwickelt, um Zell-und Material-basierte Anwendungen für ältere und kranke Menschen zu verbessern, diejenige Population, die solcher Anwendungen am meisten bedarf.

Von Implantaten zum „Intelligenten Material“
Forschung für Implantate im Muskel-Skelett-Bereich hat starke Verbesserungen für eine längere Lebensdauer erreichen können durch Optimierung von Implantat-Oberflächen für eine bessere Osseointegration. Die Situation bei älteren Patienten und vor allem im osteoporotischen Knochen stellt jedoch höhere und komplexere Anforderungen an Implantate. Implantate müssen in ihren mechanischen Eigenschaften angepasst werden, um der Situation in den erkrankten Knochen Rechnung zu tragen, und regenerativen Prozesse des umliegenden Gewebes muss viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als bei jungen und gesunden Menschen.  Daher muss man moderne Implantate mit biofunktionalen Gruppen dotieren, mittels derer das Material  aktiv mit dem umliegenden Gewebe interagiert. Auch morphologisch müssen Materialien weitaus besser biomimetisch designed werden, damit den Zellen eine Mikroumgebung angeboten wird, welche die natürlichen Gewebe möglichst optimal imitiert, so dass eine besseres Einwachsen und damit eine verbesserte Geweberegeneration ermöglicht wird.


                                 


Systemische Ansätze und In-situ-Guided Tissue Engineering
Angesichts des enormen regenerativen Potenzials von Stammzellen, auch bei älteren Patienten, erscheinen systemische, lokale und Ex-vivo-Ansätze für regenerative Strategien erreichbar zu sein. Intelligente Materialien sind vielversprechende Werkzeuge um mittels „in situ guided tissue engineering“-Verfahren die Geweberegeneration zu induzieren und zu orchestrieren. Entweder durch die intrinsischen Materialeigenschaften oder durch die Verwendung des Materials als Freisetzungsmatrix für Wachstums- und Differenzierungs-Faktoren kann man die Rekrutierung und Differenzierung residenter Stammzellen induzieren. Um dies zu erreichen verfolgt unser Konsortium Strategien der Herstellung von biomimetisch hierarchisch strukturierten und biofunktionalisierten Materialien und Scaffolds mit dem Potenzial, zeitlich und regional kontrollierte gerichtete Freisetzungsmechanismen für die Wachstums- und Differenzierungsfaktoren zu implementieren.

Ex vivo Tissue Engineering von Geweben und Organen
Tissue Engineering zielt darauf ab, Technologien zu entwickeln, um komplexe Gewebe in vitro zu züchten, welche die wesentlichen morphologischen, biologischen, chemischen und mechanischen Eigenschaften der Zielgewebe besitzen. Unter Einsatz komplexer Materialien, modifizierter und bioaktivierter Scaffolds und auch dezellularisierten natürlichen Gewebes wie Schweine-Intestinum als Basis für die Gewebe- und Organrekonstruktion wurden während des letzten Jahrzehnts ausgefeilte 3D-Kultur-Technologien entwickelt. Eine der großen Herausforderungen des ex vivo Tissue Engineering ist es, eine ausreichende Vaskularisierung und Durchblutung zu erreichen.

Bioreaktoren und Lieferbedingungen Geräte
Unterschiedlichste Bioreaktor-Systeme werden designed und für die in vitro Züchtung von Geweben verwendet. Es handelt sich hierbei um Perfusionssysteme, rotierende Systeme oder „spinner flasks“   für unterschiedliche Anwendungen wie Herstellung von Blutgefäßen, Herzklappen oder Knochen und Knorpel.   Bioreaktoren müssen die physiologischen und mechanobiologischen Gegebenheiten des jeweiligen Gewebes nachstellen. Unter Anwendung von Systembiologie hat man genügend Erkenntnisse über Remodelling-Prozesse der Extrazellulärmatrix gewonnen um Mathematische Modelle zu etablieren, welche die die biologische Situation über die einzelnen Moleküle und Zellen hinaus simulieren, und die Dynamik des Assembly von Matrix und Zellen mit einzubeziehen. Man konnte zeigen, dass interstitielle Strömung und Scher-Stress-Stimuli, die man mittels spezifischer Bioreaktoren ausübt, wesentlichen Einfluss nehmen auf die Proliferation und Differenzierung von MSC und auch embryonalen Stammzellen, z.B. in Richtung Gefäß-Formation. Eine wichtige zukünftige Richtung des Bioreaktor-Design wird die reproduzierbare und automatisierte ex vivo Produktion von Geweben werden. Wir haben bereits eine Closed-Loop-System für die Haut-Fertigung hergestellt, das Patientenzellen isoliert und expandiert, diese auf ein3D-Gerüst aussät und anschließen das menschliche Gewebe-Äquivalente solange kultiviert, bis die Bildung eines reifen zweischichtigen Hautgewebes erreicht wird, dass man zur Transplantation entnehmen kann. Es werden derzeit auch noch komplexere Konstrukte entwickelt, besonders auch solche für muskuloskelettale Anwendungen.




Kontakt

Prof. Franz Jakob
Muskuloskelettales Center Würzburg MCW
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Brettreichstrasse 11
D-97074 Würzburg
mcw.klh@uni-wuerzburg.de
 
Prof. Torsten Blunk
Prof. Jürgen Groll
Prof. Alexander Kübler
Prof. Robert Luxenhofer
Prof. Rainer Meffert
Prof. Lorenz Meinel
Prof. Maximilian Rudert
Prof. Heike Walles