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Schwierigkeiten bei der Definition der Sarkopenie verhindern weiteren Fortschritt

Schwierigkeiten bei der Definition der Sarkopenie verhindern weiteren Fortschritt

Auch auf der Jahrestagung der European Calcified Tissue Society ECTS gemeinsam mit der International Bone & Mineral Society IBMS in Rotterdam war die Sarkopenie ein Thema. Knochenforscher beschäftigen sich auch auf europäischer Ebene zunehmend mit den Wechselwirkungen zwischen Bewegungsapparat und anderen Systemen, wie dem Stoffwechsel und natürlich der Muskulatur. In Rotterdam war eine ganze Sitzung diesem Thema gewidmet, sie ist unter anderem als Vorbereitung für die Tagung in Rom gedacht, bei der diese Thematik noch weiter ausgeweitet werden soll. Als erste Rednerin berichtete Tamara Harris, Bethesda, USA von NIH über die Schwierigkeiten bei der Definition der Sarkopenie. Zum Teil werden bei dieser Definition neurogeriatrische Aspekte betont, die mehr in Richtung Gebrechlichkeit (frailty) tendieren, teilweise werden aber auch Krankheitsbilder beschrieben, die letztlich nur für einen sehr geringen Anteil der Bevölkerung zutreffen und zu dem eher bei immobilisierten Patienten vorkommen. Das Letztere ist der Fall für die sogenannte Sarcopenic obesity, der Muskelschwund vergesellschaftet mit Übergewicht. Offenbar ist dieses Krankheitsbild eher häufig bei den immobilisierten und institutionalisierten Patientinnen und Patienten, als bei Menschen die noch unabhängig Leben und bezüglich ihrer Mobilität auch unabhängig sind. In dem weiteren Spannungsfeld zwischen Trainingsdefiziten und echter krankheitsbedingter Abnahme der Muskelmasse und -Funktion gibt es zudem keine wirklich festlegbaren Grenzen, die beschreiben wo ein reversibler Trainingsrückstand aufhört und eine echte körperliche Erkrankung beginnt.

Dieses Thema zog sich durch alle Vorträge hindurch. Auch Herr Professor Dieter Felsenberg aus Berlin berichtete davon, dass hier Grenzen verschwimmen und dass wir einen sehr großen Bedarf an Forschung und technischer Evalvation haben um festzustellen, welche Patientinnen und Patienten überhaupt für eine medikamentöse Therapie qualifizieren würden. Herr Professor Franz Jakob aus Würzburg stellte dar, dass auf dem Feld der Medikamentenentwicklung bei der forschenden Industrie derzeit auch eine große Verunsicherung zu spüren ist. Medikamentenentwicklung muss immer in Richtung bestimmter Indikationen vorangetrieben werden. Wenn Indikationen fehlen besteht Unsicherheit über das Design von entsprechenden Studien und auch Unsicherheit über Investitionen in die Forschung, die dann wieder über die praktische Anwendung zurückfließen. Ein Überblick über die international laufenden klinischen Studien zeigt, dass wohl viele Ergebnisse vorliegen, jedoch ein großer Teil davon nicht veröffentlicht wird. Des Weiteren hat sich aufgrund dieser Unsicherheit die Breite der Indikation sehr stark in Richtung Tumorkachexie bewegt, eine Situation, die sicherlich erforschungswürdig ist und in der Patienten sicherlich unterstützungsbedürftig sind, die aber von der Pathogenese her doch wohl ein anderes Krankheitsbild darstellt als die altersassoziierte Sarkopenie.

Die klinischen Daten die vorliegen zeigen, dass es viele moderne Therapieprinzipien gibt, die gut verträglich sind und die Muskelmasse steigern. Gleichwohl ist es noch immer nicht klar, inwiefern allein die Steigerung der Muskelmasse schon eine klinisch relevante funktionelle Verbesserung erbringt, so dass es wohl in Zukunft erforderlich ist, dass Medikamente immer in Kombination mit Trainingseinheiten verabreicht werden um echte funktionelle Besserungen zu erreichen. Das weite Feld der Intervention mit Ernährungsformulierungen wurde nur angedeutet, auch hier ist sehr großer Bedarf, zumindest Erkenntnisse über die besonderen Verhältnisse der Ernährung beim älteren Menschen zu gewinnen. Die Muskulatur ist unser größtes Aminosäure-Reservoir und der Eiweißkatabolismus, der Abbau von Proteinen ist im höheren Altar sehr problematisch. Von einer nahezu parallel stattfindenden Veranstaltung in Boston, USA, berichtete Herr Professor Engelke, dass auch dort ein ähnlicher Eindruck entstanden sei. Die Verunsicherung ist derzeit groß und es ist an der Zeit, funktionelle und bildgebende Messverfahren zu standardisieren und auf ihre Aussagekraft hin zu überprüfen. Exakt dieser Aufgabe widmet sich das Bayerische Konsortium FORMOsA (VERLINKEN), das Herr Professor Jakob gemeinsam mit Herrn Professor Engelke leitet. Die Veranstaltung in Rotterdam galt allgemein als Auftakt für die nächste Tagung in Rom, bei der das Thema Sarkopenie einen sehr großen Raum einnehmen wird (http://2016.ectscongress.org).