Intern
Medizinische Fakultät

Diplomatisches Parkett auf Probe

17.07.2018

20 Studierende der Universität Würzburg haben am größten Planspiel der Vereinten Nationen in New York teilgenommen. Sie haben im Jahr 2018 das Land Afghanistan vertreten und für ihr Engagement die höchste Auszeichnung bekommen.

20 Studierende der Universität Würzburg haben am größten Planspiel der Vereinten Nationen teilgenommen. Hier posieren sie vor der Revolver-Bronzeskulptur des schwedischen Künstlers Carl Fredrik Reuterswärd, die vor dem UN-Gebäude in New York steht. Sie trägt den Titel "Non Violence" (Gewaltfreiheit). (Foto: NMUN Würzburg)

Kaum Tageslicht, wenig Schlaf und unregelmäßiges Essen – und trotzdem sprühen die Teilnehmenden der National Model United Nations (NMUN) vor Begeisterung, wenn sie von ihren Erlebnissen erzählen. Denn das Projekt NMUN ist durch diese kurze, negative Beschreibung nur unzureichend dargestellt.

Die National Model United Nations ist die weltweit größte Simulation der Vereinten Nationen (UN). Dafür versammeln sich in New York City jährlich über 5.000 Studierende aus der ganzen Welt. Seit 15 Jahren nehmen auch Studierende der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) als Delegierte daran teil. Jedes Jahr vertreten die Delegationen von Hochschulen aus der ganzen Welt ein anderes Land. „Am Anfang haben wir unsere Präferenzen angegeben, und wenn man Glück hat, bekommt man eines der Länder. Wir hatten tatsächlich Afghanistan auf Platz eins stehen“, erzählt Zoe Huppertz. Die Studentin der Politikwissenschaft und Soziologie war eine der diesjährigen Delegierten.

Hineinfühlen in ein fremdes Land

In dieses Land müssen sich die Delegierten dann hineinversetzen und in seinem Sinne in der NMUN agieren. Keine leichte Aufgabe, denn die Informationen über Afghanistan sind schwer zu verifizieren. „Afghanistan ist gesellschaftlich so heterogen, dagegen ist Deutschland homogen“, sagt Zoe. Und Leena Winkler fügt hinzu: „Ich habe mich gefragt: Wer bin ich kleines deutsches Mädchen, mich in die Probleme Afghanistans hineinzuversetzen. Aber andererseits: Wenn ich es nicht versuche, dann geht es sowieso nicht. Das war auch demutsfördernd.“ Die Delegierte studiert Englisch und ebenfalls Politikwissenschaft und Soziologie an der JMU.

Um das Land angemessen bei der NMUN vertreten zu können, haben sich die 20 Studierenden ein Semester lang auf die Versammlung vorbereitet. „Ein großer Teil des Projekts ist Recherche und Diskussion“, sagt Leena. Außerdem trafen sie den afghanischen Botschafter in Berlin und den ständigen Vertreter Afghanistans bei der UN, afghanische Flüchtlinge und einen deutschen Soldaten, der in Afghanistan stationiert war. „Der Soldat hat uns beispielsweise einen realen, nicht beschönigten aber reflektierten Einblick in die Situation dort gegeben“, sagt Zoe. Das ermöglichte den Studierenden, sich eine differenzierte Meinung zu bilden. „Das war sehr spannend für uns“, sagt Leena, „in Deutschland hört man meistens ja nur von Anschlägen.“

Auch eine Simulation erfordert Diplomatie

Doch die Studierenden brauchten nicht nur eine Ahnung von Afghanistan, sondern auch Sicherheit und das Know-how, sich auf dem diplomatischen Parkett zu bewegen. Denn auch, wenn es ein Spiel ist, gilt ein großes Regelwerk. Deshalb trafen sich die 20 Delegierten einmal in der Woche, um unter anderem ihre Rhetorik zu trainieren oder zu üben wie sie Kompromisse eingehen und Konflikte lösen. Auf der WueMUN, der Würzburger Model United Nations, und der HamMUN, der Hamburger Model United Nations, hatten sie ihre ersten Feuertaufen: Sie vertraten fremde Länder in zwei UN-Planspielen innerhalb Deutschlands. Verhandlungssprache ist trotzdem Englisch. „Die HamMUN ist sogar die größte Simulation Europas“, erklärt Zoe.

Bei der Simulation in New York traten die Studierenden als Delegation auf. Dafür teilten sie sich in unterschiedliche Komitees auf. „Diese Komitees, zu Themen wie beispielsweise Flucht, Bildung oder atomare Abrüstung, gibt es auch in der echten UN“, erklärt Leena. Und dann galt es, sich mit dem jeweiligen Thema und seiner Bedeutung, den Folgen und den Wünschen für das Land auseinanderzusetzen, um bei der NMUN sein Anliegen voranzubringen: „Das ist schon der erste diplomatische Schritt, die anderen vom eigenen Thema zu überzeugen“, sagt Leena. Natürlich jeder in seinem Bereich. „Man kann sich nicht nur einen Schwerpunkt für sein Land suchen. Dafür gibt es einfach zu viele Resolutionen in den unterschiedlichen Komitees“, erklärt Leena. Wichtig sei aber, sich persönliche Ziele für die Konferenz zu setzen. Mache man das nicht, sei man schnell überfordert. „Dann meldet man sich zum Beispiel für eine Rede und dann sitzen da 200 bis 250 Menschen, das ist schon angsteinflößend“, sagt Zoe.

Organisation übernehmen Studierende selbst

Doch wofür gibt es dieses große UN-Planspiel eigentlich? „Das Hauptziel ist der Austausch von Studierenden auf der ganzen Welt, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie schwierig es ist, 193 Staaten auf den größtmöglichen Nenner zu bringen“, erklärt Zoe. Es sei eine Horizonterweiterung, und man bekomme ein besseres Verständnis für Politik, für andere Länder und für die Diplomatie, sagt Leena. „Mein persönliches Highlight war, dass ich mit Menschen gesprochen habe, die wirklich für die UN arbeiten“, sagt Zoe.

Und als wäre das Planspiel nicht schon außergewöhnlich genug, organisieren die Studierenden das Projekt vollkommen eigenständig. „Es gibt drei Coaches aus dem vergangenen Jahr, die Erfahrungen weitergeben“, erklärt Leena. Ansonsten gibt es einen Faculty Advisor – in diesem Jahr Tuğba Karagöz, Mitarbeiterin an der Professur für Öffentliches Recht und Wirtschaftsvölkerrecht – als Verbindung zur JMU und eine Schirmherrin oder einen Schirmherr. Das war in diesem Jahr Professorin Stephanie Schmahl, Inhaberin des Lehrstuhls für deutsches und ausländisches öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht.

Die Organisation funktioniert dann wie in einer kleinen Firma: Neben den Komitees gibt es verschiedene Aufgabenbereiche zur Projektplanung wie Finanzen, Presse, Reiseorganisation und anderes. Wie die Bereiche ausgestaltet werden, ist den Verantwortlichen selbst überlassen. Zoe Huppertz und Leena Winkler waren zusammen mit einer weiteren Delegierten für die Pressearbeit zuständig und gehörten dem Hauptausschuss für soziale, humanitäre und kulturelle Fragen der Generalversammlung beziehungsweise der Internationalen Organisation für Migration an.

Höchste Auszeichnung für die Würzburger

Doch was ist mit dem Studium? Nicht alle Delegierten studieren Politikwissenschaft, auch Mediziner, Physiker, Juristen oder Psychologen waren dabei. Ein Urlaubssemester hat keiner genommen. „Das Projekt hat uns schon an unsere Grenzen geführt“, sagt Leena. Jedoch hatten sie die Möglichkeit, in diesem Semester ein Modul weniger zu belegen und im nächsten Semester dafür eines mehr. „Aber wir haben beispielsweise in New York mit UN-Mitgliedern diskutiert, und dann sind wir raus und haben weiter diskutiert. Und das Erlebte mussten wir ja auch verarbeiten“, sagt Leena.

„Das war schon anstrengend“, sagen Zoe und Leena übereinstimmend, „doch wenn man darüber nachdenkt, was man erlebt hat, dann ist das eine richtige Entschädigung für zu wenig Schlaf, zu wenig Tageslicht und wenig Essen“. Und noch etwas entschädigt sie: die Auszeichnung als „Outstanding Delegation“, also die höchste Auszeichnung in dem Planspiel. Damit wird die „aktive Beteiligung“ des Landes ausgezeichnet. Das heißt, das Land Afghanistan war in der NMUN in diesem Jahr besonders aktiv.

Weitere Informationen auf den Internetseiten  der NMUN, bei Facebook und Instagram .

Kontakt

Zoe Huppertz, Leena Winkler und Katja Dietze, Presseteam der Delegation der National Model United Nations 2018, delegation@nmun-wuerzburg.de

Von Corinna Russow / Marco Bosch

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